Das war selbst für das Kleinformat eine geballte Wochenendladung an Patriotismus. So darf man mit Österreich nicht umgehen! begann es Sonntag gleich auf Seite 1 "Krone" exklusiv. Exklusiv blätterte das Blatt in Helmut Kohls Mein Tagebuch 1998 - 2000, und was man auf den Seiten 4 und 5 - schon wieder unter dem Titel So darf man mit Österreich nicht umgehen! - zu lesen bekam, war ein ergreifendes Dokument politischer Analytik. 28. September 1999: Auch der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ist der Ex-Kanzler aus der Bundesrepublik als Wahlkämpfer willkommen. Wolfgang Schüssel hat mich zu einem Wahlkampfauftritt für die Nationalratswahlen im Oktober eingeladen. Vor dem Stephansdom in Wien spreche ich über die Vision Europa. . . . Ich habe das Gefühl, dass die ÖVP eine große Chance hat, in der neuen Wahlperiode eine wichtige Rolle zu spielen.

Trog den Ex-Kanzler aus der Bundesrepublik sein Gefühl - Schüssels ÖVP wurde trotz seiner Mithilfe nur dritte, für welchen Fall deren Obmann bekanntlich versprochen hatte, in Opposition zu gehen -, oder beruhte Kohls untrügliches Gefühl darauf, dass Schüssel ihn schon damals über einen Deal mit Jörg Haider informiert hat, der ihm die große Chance, in der neuen Wahlperiode eine wichtige Rolle zu spielen, eröffnete?

Auf die Folgen dieser Koalition kommt Kohl unter dem 12. September 2000 zu sprechen: Nach gut sieben Monaten werden nun endlich die Sanktionen der übrigen vierzehn EU-Länder gegen Österreich aufgehoben. Das teilt am Abend das Amt des französischen Staatspräsidenten Chirac in Paris mit.

Nach meiner Erinnerung gibt es in der allerjüngsten Geschichte der internationalen Politik keine vergleichbar große Dummheit wie diese Bestrafung Österreichs. In dieser Sache wurde jeder nur erdenkliche Fehler gemacht. Zum Glück begrenzt Kohl die großen Dummheiten auf die internationale Politik, sonst könnte man glatt an einiges denken, was er sich in der allerjüngsten Geschichte selber geleistet hat. An eines allerdings nicht - an den Satz: So darf man mit Österreich nicht umgehen! Den hat ihm die "Krone" in den Mund gelegt, ist ja auch ein gar zu schöner Aufmacher.

Gleich neben Kohls intimen Aufzeichnungen setzt sich die Ehrenrettung Österreichs auf einem etwas anderen Gebiet fort: Anteil von "Österreichern" unter Nazi-Verbrechern nicht so hoch, berichtet der Amerika-Korrespondent des Blattes, eilfertig wie gewohnt, von einem eben erschienen Buch, das die Österreicher unter Anführungszeichen ganz enorm entlastet. Im Gegensatz zu Behauptungen österreichischer "Vergangenheitsbewältiger" - nun sind diese unter Anführungszeichen -, wonach Österreicher, diesmal ohne Anführung, unter Adolf Hitlers SS-Schergen mit überproportionaler Zahl vertreten waren, beweist US-Autor Frank Mac Lean das Gegenteil.

Das Gegenteil? Offenbar entspricht die Zahl der Pflichterfüller in den KZ und bei Einsatzkommandos nicht dem feinen Gefühl der "Krone" für Proportionalität: Bei einer Gesamtzahl von insgesamt 967 Offizieren waren, laut Mac Lean, 45 österreichischer Herkunft. Von den insgesamt 99 Lagerkommandanten waren sieben Österreicher. Prozentuell ausgedrückt ergibt das einen österreichischen Anteil an der Schreckensbilanz von 4,6 Prozent Offizieren und 6,9 Prozent Kommandanten. Der Anteil der "Ostmark" an der gesamtdeutschen Bevölkerung betrug zwischen 1938 und 1945 hingegen 8,5 Prozent.

Danke, liebe "Krone", für dieses Wisch-und-weg an Österreichs Ehrenschild, aber ein härterer Schlag gegen die "Vergangenheitsbewältiger" wäre es gewesen, wenn du noch darauf hingewiesen hättest, dass die beiden Adolfe Hitler und Eichmann zwar Deutsche waren, aber dennoch eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht haben. Denn leider ist es doch so: Die "Vergangenheitsbewältiger" werden nicht müde, die "überdimensionierte Beteiligung von Österreichern an den Naziverbrechen" zu propagieren.

Mit einem vaterländischen Gesang auf die 7-S-Briefmarke anlässlich der Alpinen Ski-WM 2001 begann auch die "Krone" bunt. Unter der Abbildung dieses Monuments der Philatelie der Hymnus: In aller Welt wird diese kleine Briefmarke Werbung für unser herrliches Land machen, für ein Stück rotweißroter Identität, für eine Sportart, in der wir eine unbestrittene Großmacht sind. Das Belecken dieses kleinen Stücks Papier erzeugt patriotische Räusche, denn nach all diesen Katastrophen, nach all diesen Schicksalsschlägen, die in diesen letzten Monaten und Tagen über unser Land hereingebrochen sind - an dieser Stelle dürfte den Sänger m. p. die Rührung übermannt haben, brachte er doch nur noch . . . zustande.

Verständlich, bei diesem Anlass! Wobei die Post durch und durch rotweißrot gedacht hat. Sie zog den Ausgabetermin auf den 15. Dezember vor. Damit alle Einladungen für die WM mit der richtigen Briefmarke hinausgehen. Damit in aller Welt für Österreich Werbung gemacht wird . . . Möge dieses Werk gelingen wie die Privatisierung der Telekom.

Aber die höchste Form des Patriotismus ist doch die Tierliebe. Daher gab es auch einen Beitrag Die "Krone" hilft Menschen und Tieren, von keinem geringeren Autor als Hans Dichand höchstselbst. Der Höhepunkt seiner Schilderung der in der "Krone" grassierenden Tierliebe war mit einer Lebensbeichte in der 3. Person erreicht: Hans Dichand machte ihm - einem Kater namens Achmed - in einer Manuskriptablage ein weiches Bettchen und stellte es unter seine wärmende Schreibtischlampe, und während er mit der rechten Hand Manuskripte redigierte, hielt seine linke eine Schnur mit einem Papierl dran und ließ Achmed mit den intakten Vorderpfötchen damit spielen.

Bei umgekehrter Rollenverteilung wäre vielleicht ein passabler Text entstanden, aber was hilflt's: "Im Vordergrund muss immer der Mensch stehen - bei jedem eurer Artikel", hatte uns Dichand eingetrichtert, in diesem Fall also er sich selbst. Von so viel Patriotismus erschlagen, war man froh, sich an Dr. Gerti Sengers Gebärmutter-Workshop wieder aufrichten zu können. Günter Traxler