Man kann über die Bundesregierung aus vielen guten Gründen geteilter Meinung sein. Ihre Performance ist nicht gerade die beste, und ihre Maßnahmen sind alles andere als zukunftsweisend. Dass die Regierung aber legal zustande gekommen ist und daher im weitesten Sinn legitimiert ist, steht außer Zweifel. SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer, der mit seinen Äußerungen in der "Pressestunde" die Legitimität der schwarz-blauen Regierung indirekt angezweifelt hat, irrt hier gewaltig. Er hat damit auf eine Debatte zurückgegriffen, die längst ausgestanden sein sollte. Spätestens seit der Angelobung durch den Bundespräsidenten kann die formale Legitimität der VP-FP-Regierung nicht angezweifelt werden. Die Angelobung war der letzte Akt, um die Wenderegierung zu legalisieren, die sich auf eine demokratisch zustande gekommene Parlamentsmehrheit stützen kann. Somit ist Schwarz-Blau im weitesten Sinn auch legitimiert. Grundlegende Verstöße gegen die Prinzipien der Gesellschaftsordnung, die es rechtfertigen würden, der Regierung die Legitimität abzusprechen, gab und gibt es nicht. Das weiß Gusenbauer, und der genaue Formulierer hat auch in der "Pressestunde" nicht das Wort von der Legitimität der Regierung in den Mund genommen, sondern "nur" darauf verwiesen, dass sie über kein politisches Mandat verfüge. Man kann darüber streiten. Unbestreitbar ist, dass am Ballhausplatz eine Regierung am Werk ist, deren Chef vor der Wahl etwas völlig anderes gesagt, als er nach der Wahl gemacht hat. Mit seiner Aussage, als drittstärkste Kraft in Opposition gehen zu wollen, hat Wolfgang Schüssel einen Teil seiner Wähler getäuscht. Das mag zwar moralisch verwerflich sein, genügt aber nicht, um der Regierung Illegitimität umzuhängen, wie dies Gusenbauer offenkundig versuchte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 11. 2000)