Ottawa - Der kanadische Premierminister Jean Chretien hat seine Liberale Partei erneut bei Parlamentswahlen zu einem klaren Sieg geführt. Der 66-Jährige kann damit als erster Nachkriegs-Premier eine dritte Amtszeit an der Spitze einer Mehrheitsregierung antreten. Die Liberalen konnten ihre absolute Mandatsmehrheit verglichen mit 1997 sogar noch deutlich ausbauen, wie die am Dienstag in der Hauptstadt Ottawa veröffentlichten Ergebnisse zeigten. Zugleich verdeutlichte die Abstimmung die starke Polarisierung zwischen dem liberalen und relativ dicht bevölkerten Osten und dem dünn besiedelten, streng konservativen Westen des zweitgrößten Landes der Erde. Fortschritte Insgesamt gewannen die Liberalen nach den vorläufigen Angaben zwölf Mandate hinzu und verfügen nun über 173 der 301 Sitze im Parlament. "Wir wollen diese Mehrheit dazu nutzen, Kanada im 21. Jahrhundert Fortschritte zu bringen", sagte Chretien. Die Partei seines wichtigsten Gegenspielers, Stockwell Day von der Kanadischen Allianz, siegte erwartungsgemäß in den westlichen Provinzen Alberta und British-Columbia und erhielt insgesamt 66 Mandate. In den entscheidenden Ost-Provinzen, die wegen ihres höheren Bevölkerungsanteils die weitaus meisten Sitze zu vergeben haben, konnte der 50 Jahre alte Day nicht punkten. Chretien hatte die Abstimmung vor fünf Wochen - nur dreieinhalb Jahren nach der letzten Wahl - angesetzt. Zuvor hatte Day als der neue Führer der wichtigsten Oppositionspartei (Nachfolgerin der Reformpartei) bei Umfragen steigende Sympathiewerte erreicht. Den Liberalen gelang es, in den vier Atlantik-Provinzen Mandate zurückzugewinnen, die dort zuletzt die zweitstärkste Oppositionspartei, die bürgerliche Progressive-Konservative Partei, erobert hatte. Überraschung Als überraschend wurde das relativ starke Abschneiden der Liberalen in der französisch-sprachigen Provinz Quebec bewertet. Dort nahmen sie dem nationalistischen Bloc Quebecois (BC) Stimmen ab, der die Souveränität der Provinz anstrebt. Der Franko-Kanadier Chretien, den die Separatisten als "Verräter" bezeichnet hatten, tritt für die staatliche Einheit des englischen und des französischen Kanadas ein. Der BC, der nur in Quebec antritt, kam dort auf 37 Mandate im Vergleich zu 44 bei der letzten Wahl. Die linke Neue Demokratische Partei zieht mit 13 Abgeordneten in das neue Parlament ein. Die Progressive-Konservative Partei von Joe Clark erhielt zwölf Sitze. Wahlentscheidend zu Gunsten der Liberalen war Ontario, wo die CA nur zwei der 103 Parlamentssitze gewannen. Chretiens Partei triumphierte hier mit 100 Mandaten. Sie profitierte dabei davon, dass CA und Progressive Konservative sich gegenseitig Stimmen wegnahmen. Deren Führer, der ehemalige Ministerpräsident Joe Clark, kündigte an, er wolle seine Partei wieder zu landesweiter Bedeutung führen CA-Führer Stockwell Day sagte, seine Partei werde dennoch einen Weg finden, eine regierungsfähige Mehrheit zu gewinnen. (APA/dpa/AP)