Mensch
Krebsverhütung durch Aspirin
Hinweise auf eine tumorhemmende Wirkung des altgedienten Medikaments mehren sich.
Wien - Das mehr als 100 Jahre alte Arzneimittel Aspirin in einer neuen Rolle: Die Hinweise, dass das Medikament auch bestimmte
Krebstumore verhindern kann, verdichten sich. "Vor allem bei Risikopersonen für Darmkrebs könnte das eine Chance sein", erklärte
Dienstag Abend bei einem Hintergrundgespräch in Wien der aus Ungarn stammende und in Australien tätige Spezialist Univ.-Prof. Dr. Gabriel
Kune.
Kune, der jahrzehntelang als Chirurg an der Universität von Melbourne arbeitete und sich daneben international einen Namen als
Vorsorgemedizin-Spezialist gemacht hat: "Eine der Hauptaufgaben in diesem Millennium sollte die Verhütung von Krankheiten sein - nicht nur
von Krebs, auch von Diabetes und von Herz-Kreislaufkrankheiten."
Warten auf die magische Pille
Das Problem bei der Gesundheitsvorsorge laut dem Wissenschafter: "Wir Mediziner geben unser Wissen nicht gut genug an die Konsumenten
weiter. Als Menschen insgesamt wollen wir aber auch unseren Lebensstil nicht ändern. Da warten wir lieber auf die magische Pille."
Dabei sei Krebs ein besonders gutes Beispiel für prophylaktische Maßnahmen. Kune: "Die meisten Krebsarten sind verhütbar. Wir haben
zwei Krebsarten, die wir nicht verhüten können: Brust- und Prostatakrebs. Aber da haben wir die Möglichkeit der Früherkennung."
Die besten Vorsorge-Strategien laut dem australischen Experten:
- Prophylaxe durch Ernährung
- Nichtrauchen
- Alkoholkonsum reduzieren
- Körperliche Betätigung
- Schutz vor UV-Licht (Hautkrebs)
-
Chemoprävention durch Arzneimittel.
Die Chemoprävention ist in diesem Zusammenhang der neueste Aspekt. Der Wissenschafter: "Ich glaube, zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt
es drei wichtige Substanzen. Eine davon ist Tamoxifen bei Brustkrebs. Dann gibt es Finasterid gegen Prostatakrebs. Mit diesem Medikament
läuft eine große Studie, aber wir haben noch keine Daten. Und drittens ist da noch Aspirin (Inhaltsstoff: Acetylsalizylsäure - ASS, Anm.)."
Große Studie
Die Forschungsgruppe an der Universität Melbourne hat ab 1980 eine große Studie zu Darmkarzinomen durchgeführt. Die Wissenschafter
um Kune bekamen alle Daten von Patienten. Ausgewertet wurden schließlich die Informationen von insgesamt 1.500 Personen.
Kune: "1988 berichteten wir dann, dass bei regelmäßiger Einnahme von Aspirin (mindestens zwei Mal wöchentlich, Anm.) eine statistisch
hoch signifikante Schutzwirkung mit einer Verringerung des Darmkrebsrisikos um 40 Prozent bei Männern und Frauen eintritt."
Seither kam es zu einer ganzen Lawine ähnlicher Veröffentlichungen. Der Wissenschafter: "Wir haben mittlerweile recht gute Informationen
über die Schutzwirkung von Aspirin bei Dickdarm- und Enddarmkrebs. Ein signifikanter Effekt zeigte sich bisher in 15 wissenschaftlichen
Studien."
Versuche an Ratten
Neben epidemiologischen Studien wurden auch experimentelle Untersuchungen an Ratten durchgeführt, bei denen Karzinome künstlich
ausgelöst werden sollten. Auch dabei zeigte sich eine Schutzwirkung von Aspirin. Dieser Effekt dürfte durch vier verschiedene Mechanismen
zustande kommen:
- ASS schränkt die Zellteilung ein (Hemmung des Enzyms COX-2) - Die Substanz fördert den programmierten Zelltod von in ihrer
Erbsubstanz geschädigten Zellen. - Das Mittel scheint einen hemmenden Effekt auf die Neubildung von Blutgefäßen zu haben. Darauf sind
Krebstumoren in ihrem Wachstum angewiesen. - Bisher nur in Experimenten bemerkt: Aspirin dürfte auch verhindern, dass das Immunsystem
durch eine Krebserkrankung geschwächt wird.
Und die Dosierung?
Die richtige Dosis beim Einsatz der Acetylsalizylsäure in der Chemoprävention von Krebs ist nicht hundertprozentig geklärt. Prof. Gabriel
Kune: "Man muss Aspirin mindestens fünf, wenn nicht zehn Jahre, einnehmen. Die Dosis, die man in der Verhinderung von Herzkrankheiten
verwendet, zum Beispiel 100 Milligramm pro Tag, reicht nicht aus."
Der Fachmann weiter: "Aber alles deutet darauf hin, dass die Minimaldosis in der Chemoprävention von Krebs 150 Milligramm pro Tag sein
sollte - oder jeden zweiten Tag 300 Milligramm." Eine wesentlich größere Menge bringe keinen zusätzlichen Vorteil.
Beginn der Prophylaxe mit 40 Jahren
Bleibt die Frage, für welche Personengruppen eine solche Vorsorge in Frage kommt. Kune: "Ich glaube nicht, dass man ASS jedem
Menschen geben sollte. Das muss zunächst einmal unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Aber Menschen mit einem hohen Darmkrebsrisiko
sollten am besten im Alter von rund 40 Jahren damit beginnen."
Das sind laut dem australischen Wissenschafter jene Personengruppen, die am ehesten von einer Chemoprophylaxe gegen Darmkrebs
profitieren würden:
- Menschen mit einem oder mehr direkten Verwandten, die an Darmkrebs erkrankt sind. - Personen, denen man bereits einen (gutartigen)
Darmpolypen entfernt hat. - Patienten, die schon Darmkrebs im Frühstadium gehabt haben. - Frauen nach Brust-, Eierstock- oder
Gebärmutterkrebs. Sie dürften auch häufiger an Darmkarzinomen erkranken. - Menschen, die ihren Lebensstil nicht ändern wollen (Raucher,
schlechte Ernährung, keine Bewegung)