Österreich
Fall Joseph: Strafanzeige gegen die Mutter
Wegen falscher Verdächtigungen - Drittes medizinisches Gutachten angefordert
Leipzig/Dresden - Nach den jüngsten Entwicklungen im "Fall Joseph" muss die Mutter mit einem Strafverfahren rechnen. Gegen die Apothekerin aus Sebnitz im ostdeutschen Bundesland Sachsen wurde Anzeige wegen Anstiftung zu falschen Verdächtigungen erstattet, wie Oberstaatsanwalt Claus Bogner am Mittwoch mitteilte. Die Belastungszeugen, deren Aussage zur Verhaftung dreier Personen geführt habe, seien wegen falscher Verdächtigungen angezeigt worden, sagte er. Die Festgenommenen sind wieder auf freiem Fuß. Die Behörden wollen ein drittes medizinisches Gutachten anfordern, um den Tod Josephs aufzuklären. Der Bub war 1997 in einem Freibad ums Leben gekommen.
Anzeige erstattete einer der Verteidiger der vorübergehend Festgenommenen. Mit dem neuen Gutachten sollen nach Worten von Oberstaatsanwalt Hans Strobl jetzt mögliche Widersprüche im Zusammenhang mit zwei früheren Expertisen aus Dresden und Gießen ausgeschlossen werden. Man wolle im Fall des sechsjährigen Buben ganz sicher gehen, sagte Strobl.
Nach Erkenntnis von Gerichtsmedizinern hat Joseph wahrscheinlich an einer Herzmuskelentzündung gelitten. Eine solche Erkrankung müsse zu Lebzeiten nicht aufgefallen sein; sie werde aber häufig bei der Untersuchung ertrunkener Kinder erkannt, sagte der Leiter des Gießener Instituts für Rechtsmedizin, Günter Weiler, der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwochausgabe).
Der Dresdner Rechtsmediziner Erich Müller sagte dem Blatt, gerichtsmedizinisch sei nicht auszuschließen, dass der Sechsjährige ertränkt worden sei. Eine Herzmuskelentzündung sei aber eine mögliche Erklärung dafür, dass das Kind ertrunken sei, ohne dass jemand es bemerkt habe. Üblicherweise dauere der Todeskampf beim Ertrinken fünf bis zehn Minuten, und es sei schwer vorstellbar, dass in einem gut besuchten Freibad niemand davon Notiz genommen hätte.
NPD-Aufmarsch in Dresden verboten
Die Stadt Dresden hat einen für Samstag geplanten Aufmarsch der rechtsextremistischen NPD verboten. Zur Begründung sagte ein Sprecher, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Victor Weber, kritisierte Medienberichte, wonach der Bub von Neonazis gequält und ertränkt worden sei. Er sprach im Saarländischen Rundfunk von einer Hetzkampagne gegen die sächsische Stadt.
Ein Sprecher der Verwaltung in Sebnitz sagte, der materielle und immaterielle Schaden gehe in die Millionen. Zahlreiche auswärtige Gäste hätten Übernachtungen in Sebnitz storniert. Außerdem gebe es Aufrufe, keine Waren mehr aus der Stadt zu beziehen. Der Sprecher des sächsischen Landeskirchenamtes, Matthias Oelke, teilte mit, dass der am Samstag vom Dienst suspendierte evangelische Pfarrer Konrad Creutz aus Sebnitz seit Mittwoch wieder im Dienst sei. Creutz war nach einem umstrittenen Zeitungsinterview, in dem er der Mutter von Joseph mangelnde Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit dem Tode ihres Sohnes unterstellt hatte, vom Dienst beurlaubt worden.
Unterdessen ist ein Streit über die Glaubwürdigkeit des von der Mutter Renate Kantelberg-Abdulla eingeschalteten Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ausgebrochen. Deren Leiter Christian Pfeiffer wies im MDR Kritik des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zurück, das Institut habe in einem Gutachten zum Tode Josephs Fehler gemacht und unqualifizierte Zeugenaussagen wiedergegeben. Pfeiffer sagte, die Mutter des Kindes habe Material übergeben, das zumindest einen Tatverdacht nahe gelegt habe.
Das Institut habe keine eigenen Ermittlungen geführt, sondern pflichtgemäß die Behörden informiert. Die Frau habe dem Institut verschwiegen, dass bei der zweiten Obduktion eine Herzschwäche des Kindes festgestellt worden sei. Der Dresdner Staatskanzleichef Thomas de Maiziere warf Pfeiffer dagegen im ZDF-Morgenmagazin vor, er habe versäumt, darauf hinzuweisen, dass die von der Mutter als Belastungszeugen angeführten Personen noch Kinder und deshalb nicht zu eidesstaatlichen Versicherungen fähig gewesen seien. (APA/AP)