"Emerging" gilt an der Börse als modernes Zauberwort - als Synonym für Anlage-Hoffnungen, die sich in attraktiven Kursgewinnen niederschlagen sollen. Emerging Markets sind vor allem jene Schwellenländer in Asien und Südamerika, deren Börsen in die Höhe schießen, um dann wieder auf die Erde zu krachen. Manche Emerging-Hoffnungen werden so zum "Submerging Investment" - besonders dann, wenn man den falschen Zeitpunkt zum Einstieg erwischt. Als hochaktuelles Emerging-Gebiet ist zur Zeit Osteuropa im Gespräch. Die Beitrittsbemühungen der diversen Länder fachen die Fantasie der Investoren gewaltig an. Denn die Wachstumszahlen und -prognosen sprechen für sich. Die Börsenzahlen sollten folgen. EU-Anwärter der ersten Reihe, also Polen, Slowenien, Tschechien und Ungarn befinden sich in einem Aufholprozess, der für Aktieninvestoren attraktive Anlagechancen bieten könnte. Enorme Kursschwankungen Könnte! Die Investoren der ersten Jahre nach der Ost-Wende erlebten bereits enorme Kursschwankungen. Irene Schachinger, Managerin des Ost-Invest der Sparkasse Oberösterreich, empfiehlt daher den Investoren Ansparpläne. "Das Cost-Averaging ist gerade bei solchen Schwankungen für den Anleger interessant." Dabei investiert man immer den gleichen Betrag, erhält also bei niedrigen Kursen mehr, bei höheren Kursen weniger Fondsanteile und damit einen niedrigen Einstandsdurchschnitt. Schachinger sieht Osteuropa-Fonds jedenfalls als attraktive Depotbeimischung, selbst wenn politische Rückschläge in einzelnen Ländern nicht ausgeschlossen seien. In den letzten Monaten wurden nun vermehrt Investmentfonds auf den Markt gebracht, die Osteuropa mit anderen Emerging Markets kombinieren. Raiffeisen ist mit gleich drei Fonds Spitzenreiter. Neben dem seit 1994 bestehenden Raiffeisen-Osteuropa-Aktien (Volumen 97 Mio. EURO) gibt es seit Mai den Konvergenz-Aktien-Fonds (Volumen 20 Mio. EURO), der Aktien aus Israel, Griechenland und der Türkei ebenfalls einbezieht. Jetzt soll der Konvergenz-Wachstums-Fonds die Palette vervollständigen. Die Sparinvest KAG bietet seit 1990 den Danubia-Invest (Volumen 21 Mio. EURO) an. Capital-Invest hat im Mai den 1998 begonnenen Ost-Aktiv-Fonds in Select Eastern Europe umbenannt. Die Allianz Investment Bank offeriert seit Februar 1998 den Allianz Invest Osteuropa (25 Mio. EURO), während die Salzburger Spängler-Bank in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Bankhaus Pictet den Osteuropa-Index-Trust auf Dollar-Basis anbietet. Nun liefert die bisherige Wertentwicklung von Fonds kein unbedingtes Indiz für die Zukunft. Trotzdem ist eine überdurchschnittliche positive Performance Hinweis auf künftiges Potenzial. Doch selbst wenn man vom wirtschaftlichen Aufschwung der Region überzeugt ist, bleibt die Frage, welche Börsen und Aktien davon am meisten profitieren werden. Titel-Knappheit Nicht zu übersehen ist dabei, dass viele der Ost-Fonds - schon aufgrund der Titel-Knappheit - in den gleichen Aktien investiert sind. Was das für die Kurse bedeuten kann, wurde in den letzten Monaten am wesentlich breiteren Neuen Markt in Deutschland in jede Richtung demonstriert. Auch Schachinger beklagt diese Marktenge, aber "der polnische Aktienmarkt ist oft liquider als die Wiener Börse": Interessant für die Beurteilung ist weiters die Gewichtung der einzelnen Märkte. Die erfolgreichsten Fonds der letzten Jahre haben durchwegs einen erheblichen Anteil in russische Aktien investiert. Die Hausse in der Türkei bescherte den dort investierten Fonds ebenfalls einen Performancevorsprung. "High Risk/High Return" Thomas Farthofer, Manager des Allianz-Investment-Osteuropafonds, ist in Russland mit 26 Prozent, in der Türkei mit zehn Prozent engagiert. Er sieht beide Länder als "High Risk/ High Return"-Märkte. "Aber da sich die Konvergenz-Länder wie Polen Ungarn und Tschechien immer stärker an den westlichen Märkten orientieren, können diese Risikoengagements im Gesamtportfolio sogar stabilisierend wirken." Darüber, dass diese Regionen ein größeres politisches Risiko implizieren, müsse sich der Investor im Klaren sein, doch an einen Crash in Russland glaubt Farthofer schon wegen der hohen Rohstoffpreise nicht. In der Türkei sieht er von der Zinsseite her noch enormes Potenzial. Ratschlag für Investoren: Es lohnt, soferne man sich für die Anlagekategorie Emerging Europe entscheidet, die Portefeuilles der in Aussicht genommenen Fonds genauer unter die Lupe zu nehmen und mit der eigenen Risikoeinschätzung zu vergleichen. (Nikolaus Dolenz, DER STANDARD, Verlagsbeilage "Investor", 30.11.2000)