Wien - Alle reden über den Rinderwahn, aber keiner weiß wirklich etwas Genaues darüber - das war der Stand der Dinge in der BSE-Krise von 1996. Und daran hat sich bis heute nicht allzu viel geändert.

Nicht einmal über den Ursprung der Epidemie sind sich die Experten bisher einig: BSE (Bovine Spongiforme Encephalopathie), ist ein Großteil der Fachleute überzeugt, sei Mitte der 80er-Jahre in Großbritannien entstanden. Tiermehl scrapiekranker Schafe - Scrapie zersetzt das Hirn der Tiere - war dort an Rinder verfüttert worden. Diese steckten sich mit degenerierten Eiweißen (Prionen) an, die auch die Gehirne infizierter Wiederkäuer mit der Zeit schwammartig zerfressen.

In einer Alternativerklärung für die Rinderseuche ist dagegen von einem Gendefekt die Rede. Die erste BSE-positive Kuh in Spanien war angeblich gar nicht mit Tiermehl gefüttert worden. Der Präsident der spanischen Tierärzte-Kammer vermutete daraufhin, dass eine genetisch bedingte Proteinmutation Ursache für BSE sein könnte.

Übertragung der Rinderwahn-Erreger ist strittig

Auch die Art der Übertragung der Rinderwahn-Erreger ist strittig. Einigen Fachleuten zufolge können diese nicht nur durch Tiermehlfütterung, sondern auch durch die Ausscheidungen der Tiere oder sogar die Nachgeburt weitergegeben werden. Deswegen wird vermutet, dass vor allem Weideflächen kontaminiert sein könnten.

Scrapie-Erreger jedenfalls konnten noch Jahre später auf Wiesen nachgewiesen werden, auf denen infizierte Schafe gegrast haben. In Deutschland wurden darum am Donnerstag Bodenproben jener Weiden entnommen, auf die deutsche BSE-Rinder getrieben wurden. Die Flächen wurden zudem unter Quarantäne gestellt.

Alle Kranken verbindet Fleischverzehr

Und zuletzt ist noch immer nicht schlüssig bewiesen, dass die in Großbritannien epidemisch aufgetretene neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ursächlich (nvCJD) auf BSE zurückzuführen ist. Es gibt nur ein sehr starke Indiz dafür: Zwischen allen Kranken in der am häufigsten von nvCJD betroffenen mittelenglischen Kleinstadt Queniborough gibt es nur einen einzigen Faktor, der alle Fälle verbindet: Fleischverzehr.

Bei einem Menschen der an nvCJD leidet, treten die gleichen Symptome auf wie bei BSE-kranken Rindern oder Scrapie-infizierten Schafen: Das Gehirn wird langsam von den Krankheitserregern zerfressen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Print-Ausgabe 1.12.2000)