Der internationale Dressursport ist gewiß nicht arm an schillernden und vielfach "legendär" genannten Paaren, man denke nur an Nicole Uphoff und Rembrandt oder – schon etwas länger zurückliegend – an Dr. Reiner Klimke und seinen Ahlerich. Doch eine Erfolgsbilanz wie jene von Isabell Werth und ihrem Hannoveraner Gigolo können selbst so manche Legenden nicht vorweisen: Die beiden eroberten Goldmedaillen in der Einzelwertung und in der Mannschaft bei den Europameisterschaften 1991, 1993, 1995, 1997, bei den Weltmeisterschaften 1994 (Einzelgold im Special) und 1998 und bei den Olympischen Spielen 1996, zudem Mannschaftsgold und Einzelsilber bei den Olympischen Spielen 1992. Anzumerken ist außerdem, daß all diese Erfolge auf das Konto einer jungen Reiterin gehen, die ihren 30. Geburtstag noch nicht erreicht hatte.

Geboren wurde Isabell Werth 21. Juli 1969 als Tochter eines passionierten Pferdezüchters und Landwirts im rheinischen Rheinberg, sie begann ihre Reitsportkarriere auf selbstgezüchteten Pferden als bis in die mittelschweren Klassen erfolgreiche Vielseitigkeitsreiterin. Im Sommer 1987 entdeckte Dr. Uwe Schulten-Baumer sen., der eine private Anlage in Rheinberg unweit des Werth'schen Hofes besitzt, ihr Dressurtalent. Nur wenige Monate nach dem ersten Kontakt mit ihrem heutigen Trainer, Mentor und Besitzer ihrer Pferde gelang es Isabell Werth, mit Madras, dem ehemaligen Erfolgspferd von Dr. Uwe Schulten-Baumer jun., ihre ersten Siege in S-Dressuren zu erzielen. 1988 wurde sie Einzel-Vize- und Mannschafts-Europameisterin der Jungen Reiter auf Weingart, mit dem sie mit zwanzig Jahren 1989 auch an ihren ersten Europameisterschaften der Senioren teilnahm. Als jüngstes Mitglied, das jemals in einem deutschen Senioren-EM-Dressur-Team geritten ist, gewann sie mit der Mannschaft Gold, durfte aber als viertbestes Mannschaftsmitglied mit einem achten Platz im Grand Prix nicht ins Finale einziehen, das nur drei Reitern pro Nation vorbehalten war.

Nach ihrem Europameistertitel im Special und in der Mannschaft 1991 mit dem Hannoveraner Fuchswallach Gigolo und dem Sieg 1992 im Worldcup-Finale mit Fabienne verteidigte Isabell Werth im Juni 1992 ihren nationalen Titel mit Gigolo erfolgreich, bei den Olympischen Spielen in Barcelona musste sie sich aber mit Mannschaftsgold und Einzelsilber zufrieden geben. Zum letzten mal waren Isabell Werth und Gigolo von dem ebenso legendären Paar Nicole Uphoff und Rembrandt geschlagen worden. Seit damals musste sich Isabell Werth, die als ihre größte Stärke ihre guten Nerven bezeichnet, mit Gigolo bei keiner internationalen Meisterschaft mehr geschlagen werden. Hatte es in den ersten Jahren ihrer Karriere vor allem einen Zweikampf bei internationalen Championaten zwischen den beiden deutschen Paaren gegeben, entwickelte sich daraus seit 1995 ein Zweikampf zwischen Isabell Werth mit Gigolo gegen die niederländische Dressurkönigin Anky van Grunsven mit Bonfire, der nicht immer nur im Dressurviereck ausgetragen wurde. Bis 1999, als Gigolo sich beim CHIO Aachen vertrat, dort von weiteren Starts zurückgezogen werden musste wie für seine Teilnahme an der EM im niederländischen Arnhem, musste Anky van Grunsven seit ihren WM-Kürtitel von 1994 mit Bonfire auf erneutes Einzelgold warten. Im Herbst 1999 kehrte Gigolo mit dem Gewinn des German-Master-Titels beim internationalen Hallenturnier in Stuttgart erfolgreich in den Turniersport zurück. Ob die beiden 17jährigen Dressurlegenden Gigolo und Bonfire bei den Olympischen in Sydney noch einmal aufeinandertreffen werden, steht noch in den Sternen. Der Traum ihrer beiden Reiterinnen wäre es auf jeden Fall – ganz abgesehen davon, dass ihnen beiden ein gleichwertiges, ebenso herausragendes Pferd als Nachfolger derzeit noch fehlt. Ein besonderer Verdienst ist es sicherlich von beiden Reiterinnen ebenso wie von ihren Trainern, dass es ihnen gelungen ist, ihre Hochleistungssportler über so viele Jahre fit zu halten.

Beruflich gesehen hat das Jahr 2000 für Isabell Werth mit der Mitteilung, dass sie die schriftlichen Prüfungen zum zweiten Jura-Staatsexamen bestanden hat, bereits erfolgreich begonnen. Ihre sportlichen Hoffnungen setzt die Juristin auf den zehnjährigen Oldenburger Aleppo S, der allerdings erst noch in den Grand-Prix-Sport hineinwachsen muss und für den Sydney noch etwas früh kommt. Der 14jährige Hannoveraner Nissan Antony FRH, mit dem sie 1999 Mannschafts-Europameisterin und Zweite im Worldcup-Finale wurde, hat sich jedoch mittlerweile zum immer zuverlässiger reitenden Routinier entwickelt. Birgit Popp

Sportliche Erfolge

1991: 1. Platz Deutsche Meisterschaften
1. Platz Einzel (Grand Prix Special) und Mannschaft EM Donaueschingen
1992: 1. Platz Weltcup-Finale Göteborg
1. Platz Preis der Nationen CHIO Rotterdam
1. Platz Deutsche Meisterschaften
1. Platz Mannschaft u. 2. Platz Einzel Olympische Spiele Barcelona
1993: 3. Platz Weltcup-Finale ’s-Hertogenbosch
1. Platz Einzel (Grand Prix Special) und Mannschaft Dressur-EM Lipica/Slowenien
1994: 2. Platz Preis der Nationen CDIO Arnhem/Niederlande
1. Platz Einzel (Grand Prix Special) und Mannschaft WM Den Haag/Niederlande
1995: 1. Platz Hamburger Dressur-Derby
1. Platz Deutsche Meisterschaften
1. Platz Preis der Nationen CHIO Aachen
1. Platz Einzel und Mannschaft EM Mondorf
1996: 1. Platz Hamburger Dressur-Derby
1. Platz Preis der Nationen CHIO Aachen
1. Platz Deutsche Meisterschaften
1. Platz Einzel u. Mannschaft Olympische Spiele Atlanta/USa
1997: 1. Platz Preis der Nationen CHIO Aachen, 1. Platz Deutsche Meisterschaften, 1. Platz Einzel u. Mannschaft EM Verden
1998: 2. Platz Weltcup-Finale Göteborg
1. Platz Preis der Nationen CHIO Aachen
1. Platz Deutsche Meisterschaften
1. Platz Einzel u. Mannschaft WM Rom/Italien
1999: 2. Platz Weltcup-Finale
1. Platz Preis der Nationen CHIO Aachen