Berlin/Hamburg - Die deutsche Wirtschaft will den Druck auf die Verweigerer-Unternehmen eines Beitrags zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter des Naziregimes noch einmal erhöhen. "Jeder Vorstand aus den Gründungsunternehmen hat eine Liste von Firmen, um die er sich persönlich kümmert", sagte das Vorstandsmitglied des Chemiekonzerns BASF, Helmut Becks, der "Berliner Zeitung" (Wochenendausgabe). Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft wurde von 17 Konzernen gegründet, darunter BASF, Allianz, DaimlerChrysler, Volkswagen und Deutsche Bank. Bis Jahresende haben sich insgesamt erst etwa 5.300 Unternehmen an der Initiative beteiligt und gut 3,4 Milliarden Mark (1,74 Mrd. Euro/23,9 Mrd. S) zugesagt. Insgesamt ist vereinbart, dass die Wirtschaft ebenso wie die öffentliche Hand fünf Milliarden Mark für die Entschädigung aufbringt. "Absolut inakzeptabel" Becks sagte, er halte es "für nicht in Ordnung, dass die Unternehmen, die wie BASF den Fonds mitgegründet haben und bereits jeweils 100 Millionen eingezahlt haben, darüber hinaus weitere Millionen zahlen sollen". Er verstehe die Unternehmen nicht, die sich nicht beteiligen wollen. "Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar und inakzeptabel." Da die deutsche Wirtschaft mit ihrem ausstehenden Beitrag von etwa 1,6 Milliarden Mark in Zahlungsverzug gerät, verstößt sie nach Auffassung des rechtspolitischen Sprechers der Grünen, Volker Beck, gegen eine von ihr selbst unterschriebene Abmachung. Bundespräsident Johannes Rau hat inzwischen in persönlichen Schreiben etwa 1.000 mittelständische Unternehmen zur Beteiligung aufgefordert. Namen veröffentlichen Beck nannte es in Berlin beschämend und einen Skandal, dass die Unternehmen ihr Geld noch nicht beisammen haben. Er rechnete damit, das der Bundestag Ende Jänner die Rechtssicherheit für die Unternehmen vor weiteren Entschädigungsklagen feststellen und so die gesetzliche Voraussetzung für die Entschädigungen schaffen könnte. Hätten die Unternehmen dann nicht die fünf Milliarden plus mindestens 100 Millionen Mark Zinsen an die Bundesstiftung überwiesen, müssten sie als säumige Schuldner die gesetzlich vorgeschriebenen Verzugszinsen zahlen. Beck trat dafür ein, die Namen zahlungsunwilliger Unternehmen zu veröffentlichen. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" will die Wirtschaft notfalls kurzfristig den Fehlbetrag durch Kredite ausgleichen. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, dementierte dies und sprach von einem "Silvesterknaller". BASF-Sprecher Felix Gress sagte: "Uns ist davon bisher nichts bekannt." Erste Zahlungen im Februar Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Michael Jansen, kann ausgezahlt werden, auch wenn noch nicht das gesamte Geld einbezahlt ist. Die Entschädigungszahlungen könnten möglicherweise schon Mitte Februar beginnen, sagte Jansen im DeutschlandRadio Berlin. Die relativ geringen Entschädigungssummen zwischen 5.000 und 15.000 Mark hätten in Mittel- und Osteuropa wesentlich mehr als nur einen symbolischen Charakter, betonte Jansen. "Die Durchschnittsrenten in der Ukraine liegen zwischen 25 und 40 Mark. Wenn da ein alter Mensch 5.000 oder 15.000 Mark zusätzlich erhält, kann er damit was anfangen." Die Auszahlung der Entschädigung läuft über die Partnerorganisationen in den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie über weitere Organisationen wie die Jewish Claims Conference. Zwangsarbeiter gab es in der NS-Zeit fast überall: bei der Industrie, bei Kommunen, auch in den Kirchen. Die Hälfte der zahlungswilligen Unternehmen erkennt die historische Schuld an, ohne persönliche Schuld auf sich geladen zu haben, denn sie wurden erst nach 1945 gegründet. (APA/dpa)