Dhaka - Das oberste Zivilgericht von Bangladesch hat alle Rechtsgutachten islamischer Kleriker (Fatwa) für illegal erklärt. Ein Menschenrechtsanwalt sprach am Dienstag von einem "historischen Urteil", das einen großen Fortschritt für den Schutz der Grundrechte in Bangladesch markiere. Mehr als 80 Prozent der rund 130 Millionen Einwohner von Bangladesch sind Moslems, der Islam ist Staatsreligion im ehemaligen Ostpakistan. Als der iranische schiitische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 gegen den anglo-indischen Schriftsteller Salman Rushdie eine "Fatwa" aussprach, prägte er dem Begriff für westliche Ohren eine Bedeutung auf, die er gar nicht hat. Khomeinis Mordbefehl ist nach einschlägigen Islam-Handbüchern nicht mehr als eine "Meinung zu einer Rechtsfrage". Eine Fatwa im eigentlichen Sinn ist ein Gutachten, in dem ein Koran-Gelehrter einen Sachverhalt aus geistlicher Sicht beurteilt. In der Expertise des iranischen Revolutionsführers vom 14. Februar 1989 zu Rushdies Roman "Satanische Verse" hieß es aber, nicht nur der Autor des "gegen den Islam, den Propheten und den Koran gerichteten Buches" sei zum Tode verurteilt, sondern auch "die mit seiner Veröffentlichung befassten Personen". Wörtlich stand in der Fatwa: "Wer stirbt, weil er die Welt von Salman Rushdie befreit, ist ein Märtyrer und kommt direkt in den Himmel". Durch Taslima Nasrin bekannt geworden Bekannt wurde auch die Fatwa fanatischer Moslems in Bangladesch gegen die feministische Autorin Taslima Nasrin. In ihrem Buch "Lajja" (Scham) hatte sie die Verfolgung religiöser Minderheiten in ihrer Heimat angeprangert. Nasrin flüchtete ins Exil nach Schweden. Wie das Gericht in Dhaka mitteilte, ordneten die Richter am Montagabend die Inhaftierung eines moslemischen Geistlichen an, der ein Ehepaar gegen dessen Willen zur Scheidung gezwungen hatte. Angeblich hatten Zeugen in einem abgelegenen Dorf im Nordwesten des Landes gehört, wie der Ehemann nach einem Streit drei Mal das Wort "Talaq", den islamischen Ausdruck für Ehescheidung, aussprach. Daraufhin zwang der Geistliche das Paar zur Trennung. Die Frau durfte erst zu ihrem Ehemann zurückkehren, nachdem sie eingewilligt hatte, einen anderen Mann zu heiraten. Der Menschenrechtsanwalt Kamal Hussain, ein früherer Justizminister, übernahm die Verteidigung des Paares. Die obersten Richter stellten schließlich fest, dass moslemische Geistliche keine rechtliche Befugnis zum Erlass von "Fatwas" haben. Nach dem gültigen islamischen Scheidungsgesetz sind in Bangladesch mündliche Scheidungen ebenfalls ungesetzlich. (APA/dpa)