Bogotá/Buenos Aires - Ein Parlamentarier, der eine Friedenskommission präsidierte, und fünf weitere Personen fielen am vergangenen Freitag in Kolumbien einem Mordanschlag zum Opfer. Die Öffentlichkeit reagierte schockiert. Eben noch hatte Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana eine neue Friedensinitiative gestartet, da wird ein Mordanschlag verübt, der wie eine Kriegsansage wirkt und das Land aufschreckt. In der Gemeinde Puerto Rico, 330 Kilometer südlich von Bogotá und nur 100 Kilometer westlich von "Farclandia" gelegen, gerieten Diego Turbay, seine Mutter und vier Begleiter in einen Hinterhalt. Sie wurden, wie ein Augenzeuge berichtet, gezwungen, aus ihrem Fahrzeug zu steigen, und kaltblütig hingerichtet. Mutter Politikerin Turbay war Abgeordneter in der Nationalversammlung und präsidierte als prominentes Mitglied der Liberalen eine parlamentarische Friedenskommission. Seine Mutter gehörte zu den bekannten Politikerinnen des Landes. Sie hatte vor ein paar Jahren einen Sohn verloren, der von den Farc (Fuerzas armadas revolucionarias de Colombia) entführt worden und dann bei einer Flussüberquerung ertrunken war. Im Gebiet, in dem der Mordanschlag verübt wurde, operieren die Farc. Militär und Polizei, die schnell zur Stelle waren, sind aufgrund von Zeugenberichten überzeugt, dass ein Guerillakommando die Tat begangen hat. Sie wollen eine Funkmeldung abgefangen haben, worin die Täter dem Farc-Zonenkommandanten berichten, sie hätten "diesen Bürokraten einen harten Schlag versetzt", worauf der Name Turbays genannt wird. Bekenntnis fehlt Die Farc haben sich bisher nicht zum Anschlag bekannt. Es ist immer noch möglich, dass die Paramilitärs, die auch schon in der betreffenden Zone gesichtet wurden und die eine besondere Aversion gegen alle hegen, die sich um Friedensgespräche bemühen, die Mörder sind. Pastrana hat von der Führung der Farc verlangt, dass sie die Täter, sollten sie aus ihren Reihen stammen, ausliefern oder Beweise erbringen, dass sie nichts mit dem Anschlag zu tun haben. Zum ersten Mal seit langem drohte er in seiner Neujahrsansprache der Guerilla mit Krieg, wenn sie es darauf anlege, die Verhandlungen weiter zu torpedieren, und gab in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass das reguläre Militär laufend aufgerüstet werde. Autobombe Wie um seine Worte zu verhöhnen, steuerten andere Attentäter den Silvesterfeuerwerken eine ganz besondere Knallerei bei. In der Küstenstadt Barrancabermeja, 270 Kilometer nördlich von Bogotá gelegen, detonierte eine Autobombe und zerstörte eine Polizeistation vollständig, glücklicherweise ohne Menschenleben zu fordern. Die Region, in der sich diese Stadt befindet, gilt als Bastion des Ejército de liberación nacional (Eln), der auf Sprengstoffanschläge spezialisiert ist. Der Eln, der ja unbedingt auch mit der Regierung verhandeln möchte, hielt diesen Anschlag wohl für das geeignete Mittel, um ein bisschen Druck zu machen. (DerStandard, Print-Ausgabe, 3.1.2000)