Marketingdirektor. Chef der
Finanzabteilung. Vorstandsvorsitzender. Was für langweilige Titel! Viel besser klingen: Visionär, Chef-Träumer
und Alpha Geek.
Das Internet revolutioniert
nicht nur, wie und wo zukünftig die Geschäfte getätigt werden. Die New Economy mischt
auch die Job-Beschreibungen
auf und damit die Titel auf den
Visitenkarten.
Und die USA machen es
wieder einmal vor. Dort gibt es
zwar weiterhin die CEOs
(Chief Executive Officer), die
COOs (Chief Operational Officer) sowie die Public Relations
Representatives, gleichzeitig
schleichen sich neue Titel ein.
"Wie könnte mein Job
noch heißen?"
So war man bei I-Logix lange am Grübeln, wie man den
Job des neuen Chef-Programmierers nennen sollte. Die
Firma, die esoterische Software vertreibt, suchte nach
einem Titel, der sowohl Leidenschaft, Transzendenz als
auch Kenntnis und spirituelle
Kompetenz verkörpert.
"Alpha geek" klang zu unterkühlt. "Chief Ponytail Guy"
zu blöde. Man einigte sich
schließlich auf "Chief Evangelist".
Bei Loudeye in Seattle wiederum wird zwar der Chef der
Finanzabteilung auf dem firmeneigenen Geschäftsbriefpapier zwar als solcher identifiziert, in der Firma läuft er jedoch als "Minister for Dollars
and Sense". Bei IBM darf sich
der Chef der Personalabteilung "Vize-Präsident für Talent" nennen. Und John Patrick, der Finanzchef des Computerherstellers, gibt offen zu,
dass "manche Leute mich
Chef-Träumer bezeichnen".
Fast Company, eine in
Boston herausgegebene Zeitschrift, kreierte mit einem
zwinkernden Auge sogar den
"Job-Titel des Monats". Darunter: Direktor für Fun, Visionär und Chief Energizing
Officer. Letzteres als Vorschlag für den Vorstandsvorsitzenden eines Batterie-Herstellers. Und welcher CEO wäre nicht gern ein Cyberlord,
mit einem Background in
Technologie und einem Master in Business Administration.
Schlagzeilen macht auch
der Yettie (young, entrepreneurial technocrat). Noch hat
zwar niemand diesen Titel auf
seiner Visitenkarte stehen,
aber als solche werden in der
Szene inzwischen all diejenigen identifiziert, die bei einer
Internetfirma anheuern.
Im Gegensatz zum Dotcom-
Geek, mit dem in Zeiten des
Dotcom-Sterbens nur sehr
wenige assoziiert werden
wollen, hat der Yettie Zukunft. Auf 2,5 Millionen wird
derzeit ihre Zahl in Nordamerika geschätzt. Tendenz steigend.
Sowie aus der Putzfrau eine
Reinemachefrau und aus der
Sekretärin eine Assistentin
wurde, so werden heute die
Titel angeblich aus Spaß an
der Freude aber auch zur psychologischen Aufwertung
verliehen. Die Software-Ingenieure mögen zwar wie früher
in ihren Kuben hocken, auf
Parties können sie jedoch eine
schnieke Visitenkarte mit
coolem Titel vorzeigen.
Jobbezeichnung
als Ego-Stütze
In anderen Fällen lässt sich
damit sogar neues Personal
anlocken. So heuerte Jeff
Mock bei Good Technologies
in Redwood Shores an und hat
seitdem den Titel "Gründer"
auf seiner Visitenkarte stehen,
was mehr dem eigenen
Wunschdenken als der Wirklichkeit entspricht.
Der "American Dream" wird
zur angewandten Alltagspoesie, der Mensch definiert sich
über den Job, und je attraktiver
die Bezeichnung, desto wichtiger derjenige, welcher ihn
ausübt - egal, was er wirk-
lich tut.
Besonders kreativ präsentiert sich Libida.com, eine
Website für Frauen und deren
sexuelle Wünsche. Wer dort
nach dem Who is Who fragt,
findet gleich eine Reihe von
Titeln, die sonst im Geschäftsleben wohl kaum anzutreffen sind. Der Vize-Präsident für Operations nennt sich
Dr. Dildo. Weiter gibt es einen
Sex-Architekt (Software), einen Dr. Feelgood (Engineering) und nicht zu vergessen
eine Sex- Bibliothekarin, einen Sex Geek und einen "Art
Pimp", der - zuständig für das
Webdesign der Seite - auch
noch weiblich ist.