Pferde, "barocke Kastraten" und ein "Nachgesang" auf Video: Erstmals präsentiert die deutsche Künstlerin Christa Näher subjektive Reisen in die Vergangenheit in Österreich. Ursula Philadelphy besuchte die Ausstellung "Das Malwerk und das Schöne" im Kunstraum Innsbruck. Innsbruck - Großformatige Papierarbeiten sind die Eyecatcher jener Schau, die unter dem Titel Das Malwerk und das Schöne die aus Lindau stammende und seit 1987 als Professorin an der Städelschule in Frankfurt wirkende Künstlerin Christa Näher erstmals nach Österreich bringt. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein, wo die Schau im kommenden Frühjahr in erweiterter Form gezeigt wird, wurde erstmals eine Personale Nähers zusammengestellt. Christa Näher sieht sich als Malerin, wiewohl sie sich seit einiger Zeit auch mit dem Medium Film beschäftigt. Eines ihrer Domizile - Schloss Wolfegg im oberschwäbischen Allgäu - ist Ausgangspunkt des erst heuer entstandenen Videos Nachgesang; beginnend mit Nähers privater Beziehung zu diesem Ort werden Stimmungen und Emotionen mit der sehr spezifischen Topografie des Raumes verwoben und die Geschichte des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Schlosses wird zur Basis für eine subjektive Reise in die Vergangenheit. Die historische wie auch die selbst erlebte Vergangenheit sind im Oeuvre von Christa Näher stets präsent; zumeist in sehr persönlichen Versionen, eingebunden in barocke Bildsprache und eine gewisse düstere Morbidität, wobei ständig die Grenzen zwischen Materialität und Immaterialität wechselweise überschritten werden. "Erleben der Seele" Ihre aktuellen Arbeiten nennt die Künstlerin "Barocke Kastraten" - großformatige Papierarbeiten die von ihrer Wechselbeziehung zwischen künstlerischer Form und Inhalt leben, bei denen aber auch die sensible Vernetzung von Wahrnehmung und Denken notwendig ist, um so das "Erleben der Seele" erfassen zu können. Es ist die Polarität dieses Erlebens, die für Näher bereits seit den 60er-Jahren wesentliche Bedeutung hat und die sie in barocke Formensprache umsetzt. In den so genannten Kastratenbildern, die erst heuer entstanden sind, versucht sie die künstlerische Wahrnehmung über den Bereich des Hörens zu initiieren und notierte dazu Folgendes: "Die Gesänge der Kastraten erhellten lange unvergessen die verborgenen Gänge der Seele, um endlich hell und klar wieder aufzusteigen, durch eine geheime Geste der Liebe womöglich." Diese erhellende Wirkung kommt ganz besonders eindrucksvoll in einem Blatt zur Geltung, in dem sich das überlebensgroße Gesicht des Kastraten jenem der Künstlerin verblüffend annähert. Sinnlichkeit ist aber auch in den 1999 entstandenen riesigen Leinwänden mit Pferden das Hauptthema - vielleicht deshalb so intensiv empfindbar, weil sich das Motiv des Pferdes bereits in den ganz frühen Zeichnungen der 60er-Jahre findet und Pferdebilder auch die ersten Selbstporträts der Künstlerin waren. Das Pferd als männliche Gestalt hat viel mit Liebe zu tun, es ist das Sinnliche und Mächtige zugleich, für Christa Näher bedeutet es aber ganz offensichtlich auch ihr ganz persönliches Leben. Kunstraum Innsbruck, bis 24. 2. 2001 (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 08.01. 2001)