Geschlechterpolitik
Streit um das richtige Kindergeld
Grenze verfassungskonform - oder auch nicht
Wien - Nicht nur die politischen Ansichten, auch die Rechtsmeinungen über das Kindergeld gehen auseinander.
Sozialminister Herbert Haupt lehnt das Modell seines Parteifreundes, Finanzminister Karl-Heinz Grasser, vehement ab, weil
die von Grasser vorgeschlagenen Zuverdienstgrenzen von 300.000 Schilling jährlich verfassungswidrig seien. Haupt bezieht
sich dabei auf ein Gutachten des Steuerexperten Michael Lang, der argumentiert, dass das exakte Einkommen während der
Zeit des Kindergeldbezuges schwer feststellbar sei.Viele ähnliche Gesetze
Der Wiener Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht hingegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Und begründete das im
ORF so: "Der Gesetzgeber darf pragmatisch vorgehen. Das laufende Einkommen festzustellen ist immer sehr schwierig und
daher gibt es viele Gesetze - etwa das Studienförderungsgesetz oder Wohnbauförderungsgesetze der Länder -, die vorsehen,
dass eine Förderung gewährt wird nach dem Einkommen, das man im vergangenen Jahr oder in früheren Jahren verdient hat."
Daher sieht Mayer prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Bedenken: "Die vorgeschlagene Regelung würde dazu führen, dass
man sozial Schwächere fördert und sozial Stärkere eben nicht fördert." Einschleifende Regelungen bezüglich der
Zuverdienstgrenze würde Mayer als sinnvoll begrüßen.
Einigkeit in einem Punkt
Einig sind sich Mayer und Lang nur in einem Punkt: Beide warnen vor Regelungen, die etwaige Rückforderungen bereits
ausbezahlter Kindergelder vorsieht, Das wäre problematisch.
So weit ist es aber noch lange nicht: Einstweilen hat sich die Koalition einmal auf Kompromisssuche begeben. Sozialminister
Haupt und sein ÖVP-Kollege Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sollen bis spätestens Ende März einen
entscheidungsreifen Vorschlag erarbeiten. Vorher müssen sich die Koalitionspartner einigen: Haupt will das Kindergeld für alle
für drei Jahre, die ÖVP (und Grasser) nur dann, wenn sich die Eltern die Betreuungszeit teilen. Für SPÖ-Familiensprecherin
Ilse Mertel ist das schlicht das "Verwirrspiel einer Laienspielgruppe". Sollte doch ein fertiger Gesetzesentwurf zum Kindergeld
seit Jahresanfang vorliegen. (eli - DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 11.1.2001)