München - "Du Königin im Wurstrevier/ du schön gekurvte Tellerzier/ laß dir den weißen Hermelin/ von deinen zarten Schultern ziehn!". Fast schon erotisch besingt die 1957 von Mundart-Dichter Herbert Schneider verfasste "Weißwurst-Hymne" die Wurst aller Würste. Doch mit der innigen Liebe zum Weißwurst-Original aus Kalbsbrät, Zwiebeln, Petersilie und Gewürzen dürfte es erst einmal vorbei sein. Die Rinderkrankheit BSE verdirbt selbst eingefleischten Bayern die sonst schier unersättliche Lust auf das weiß-blaue Schmankerl. "Die Weißwurst darf man wirklich nicht mehr anlangen, bei aller Liebe nicht", sagt ein Münchner resigniert. Noch nach Bekanntwerden des ersten deutschen BSE-Falls in Schleswig-Holstein habe er seine Weißwurst aus Kalbsbrät weiter mit höchstem Genuss verspeist. Doch die Reihe bayerischer BSE-Fälle schlug dem Traditionalisten mächtig auf Magen und Gemüt: "Das geht so nicht mehr", schüttelt er den Kopf. "Das ist eines meiner Leibgerichte", pflichtet ihm ein 49-jähriger Münchner bei. "Aber jetzt ist mir der Appetit vergangen." Münchner Fasching ohne die Weißwurst fast undenkbar Schon vor den Zeiten von BSE verstand der aufrechte Bayer bei der Weißwurst nur wenig Spaß. In München überprüft jedes Jahr zur Faschingszeit eine städtische Faschingswurstprüfungskommission die exakte Qualität der Schmankerl, immerhin ist der Münchner Fasching ohne die Weißwurst fast undenkbar. Und was in der "Original Münchener Weißwurst" drin sein darf, schreibt seit 1972 eine städtische Weißwurstverordnung vor: "Der Muskelfleischanteil der Weißwürste besteht überwiegend aus Kalbfleisch. Dem entsehnten Fleisch werden gekochte ausgelöste Kalbskopfteile mit Haut, Bindegewebsteile von Kälbern sowie gekochte Schwarten von jungen Schweinen zugesetzt." "BSE-freie Weißwurst" ganz ohne Kalbsbrät Angesichts dieser Rezeptur ist es kein Wunder, dass die BSE-Krise vielen Bayern den Appetit auf die Weißwurst kräftig verdorben hat. In Supermärkten werden Weißwürste von der Kundschaft verschmäht. Der Weißwurst-Absatz ist auch nach Angaben des Obermeisters der Münchner Metzger-Innung, Georg Schlagbauer, rückläufig. Metzger auf dem traditionsreichen Münchner Viktualienmarkt haben den Ernst der Lage erkannt - und kurzerhand umgedacht: Nun preisen sie auf ihren Plakaten "BSE-freie Weißwurst" ganz ohne Kalbsbrät an, die Weißwurst ist nun aus "reinem" Schweinefleisch. Vor Weihnachten - traditioneller Termin für das ausnahmsweise mitternächtliche Weißwurst-Essen - habe ihre Fleischhauerei auf die Schweine-Wurst umgesattelt, sagt eine Verkäuferin. Der Preis ging um ein Drittel herunter, daher laufe die "garantiert BSE-freie Weißwurst" ganz gut. Doch nicht nur Schweinefleisch kommt in Zeiten von BSE bei der Weißwurst zu ungeahnten Ehren: Auch Truthahn und selbst Pferdefleisch werden nach Angaben Schlagbauers nun verwertet. Doch manche Bayern trauen dem vermeintlich sicheren Braten noch nicht. "Ich bin mir nicht sicher, ob das auch so gut schmeckt", gibt sich ein Münchner zurückhaltend. Und auf die gute, alte Zeit hofft auch die Verkäuferin auf dem Münchner Viktualienmarkt. "Sobald sich die Lage normalisiert, kehren wir natürlich zum Original-Rezept mit Kalbfleisch zurück." (dpa)