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"Taxi Orange"-Enquete: Quote mit Monopoly
Der ORF lud zur Diskussion über Reality-TV und die Folgen - Viel Lob und wenig Tadel
Moderator Roland Adrowitzer wollte es genau wissen. Schläft der Tiroler Walter "Wazinger" seit seinem dritten Platz bei "Taxi Orange
" eigentlich schlecht? Wiens Exbürgermeister Helmut Zilk hatte als Vorredner bei der am Donnerstag abgehaltenen ORF-Enquete zur hausgemachten Reality-Soap erwähnt, dass er das von den Container-Insassen bei "Big Brother" gehört habe. Und man bei eventuellen Fortsetzungen der orangenfarbenen Quotenjagd eigentlich aufpassen sollte. Nein, meinte Walter, und ergänzte, wie innovativ doch der ORF mit der Reality gewesen sei.
Wenig kritische Stimmen zu "Taxi Orange" (TXO) wurden im Rahmen dieser Enquete laut: ORF-Chef Gerhard Weis gab sich auftragsbewusst und jubelte, man habe "eine Million Zuschauer zum ORF zurückgeholt", denen man nun auch die "Zeit im Bild" zeigen könne. Gegen "Big Brother" sei das Taxifahren, "wie Monopoly statt Stripp-Poker".
Scheinmoral geortet
Deutschlands TV-Interviewer und Autor Roger Willemsen, und der Wiener Philosoph Herbert Hrachovec orteten Scheinmoral bei den "Taxi Orange"-Kritikern. Rudolf Bretschneider und Johannes Hawlik vom Marktforschungsinstitut Fessel-GfK präsentierten eine vom ORF in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage. Demnach seien 53 Prozent der Österreicher der Meinung, dass TXO zu einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem ORF passt. 63 Prozent meinten, dass der Sender durch die Soap beweise, "mit der Zeit zu gehen". 44 Prozent erklärten, dass der ORF auf Reality verzichten sollte. 31 Prozent waren schließlich der Ansicht: Die Kritiker von TXO sind Menschen, die für die Jugend kein Verständnis haben.
Unter all diesen positiven Stimmen äußerten sich eigentlich nur Medienpsychologe Peter Vitouch und ORF-Kuratorin Helga Rabl-Stadler (ÖVP) kritisch. Ihr war die viel beschworene Authentizität von Reality "wurscht". Sie meinte, das Format könnte auch ein Privatsender bringen. Es hätte im ORF nichts verloren. Passt es vielleicht gar nicht ins Fernsehen? Laut Helmut Zilk kommt die Urform des Booms sowieso nicht aus dem TV, sondern aus dem Parlament, "wo sich Politiker laufend die beste Reality-Soap liefern". (pi/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 1. 2001)