Berlin - Nach der Ankündigung einer Neuorientierung der deutschen Landwirtschaftspolitik in Richtung von mehr Verbraucherschutz ist zwischen dem Deutschen Bauernverband (DBV) und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) der Streit voll entbrannt. DBV-Präsident Gerd Sonnleitner wies die Kritik Schröders an mangelndem Interesse der Bauern am Interesse der Verbraucher und an Klientelpolitik des Verbandes am Donnerstag scharf zurück. Schröder hatte erklärt: "Geschrei von Verbandsfunktionären ist nicht mein Problem". Zweifel an Renate Künast Der Kanzler habe seine Vorwürfe offensichtlich im "Stress der Kabinettsumbildung" geäußert, meinte dazu Sonnleitner. Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) wandte sich entschieden gegen die Kritik von Schröder an den Bauernverbänden. Er bezweifelte, dass das Landwirtschaftsressort mit der Grünen Renate Künast künftig richtig besetzt sei. Er habe "das Vorhandensein eines Mindestmaßes an Fachkompetenz" erwartet. Der CSU-Chef stärkte erneut seinen ebenfalls wegen des Umgangs mit der BSE-Krise unter Beschuss geratenen Landesministern Barbara Stamm (Gesundheit) und Josef Miller (Agrar) den Rücken. "Ich ändere meine Meinung nicht wie der Bundeskanzler", sagte Stoiber. Beide schlossen ihren Rücktritt aus. Bauern müssen Vertrauen zurückgewinnen Künast bot dem Bauernverband unterdessen die Zusammenarbeit an. Am Rande der Klausurtagung der Grünen-Bundestagsfraktion in Wörlitz bei Dessau sagte sie, die Bauernverbände müssten das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen. Wichtig sei aber auch der Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage für die Bauern. Schröder bekräftigte bei der Klausurtagung der SPD-Fraktionsspitze, dass es keine Landwirtschaft gegen die Interessen der Verbraucher geben könne. Ihn interessierten dabei weniger Forderungen der Verbandsfunktionäre. Grüne befürworten Kabinettsumbildung Die Bundestagsfraktion der Grünen billigte in Wörlitz die jüngste Kabinettsumbildung einstimmig. Dies gelte sowohl für die Umwandlung des Landwirtschaftsministeriums in ein Ministerium mit Schwerpunkt Verbraucherschutz als auch für die Nominierung der bisherigen Parteivorsitzenden Renate Künast als neuer Ministerin, sagte Fraktionschef Rezzo Schlauch. Schlauch räumte ein, es habe in einer offenen Aussprache "selbstverständlich auch Kritik" gegeben. Neben den Ergebnissen sei aber auch das Vorgehen der Grünen-Spitze bei der Kabinettsumbildung mehrheitlich gebilligt worden. Nachfolge Künasts ungeklärt Die Frage der Nachfolge von Künast an der Parteispitze der Grünen blieb hingegen weiter ungeklärt. Die scheidende Gesundheitsministerin Andrea Fischer will "definitiv nicht Grünen-Vorsitzende werden", teilte sie der Fraktion mit. Parteichef Fritz Kuhn sagte nur, er habe für die Nachfolge von Künast "mehrere Namen im Kopf" und sei "zuversichtlich, dass wir eine gute Doppelspitze kriegen". Eine Vorentscheidung, wer beim Bundesparteitag im März für den Vorsitz kandidieren wird, wird für spätestens Ende Jänner auf einem Treffen des Bundesvorstands mit den Landesvorsitzenden der Grünen erwartet. Neben der Kritik des Bauernverbandes fand die angekündigte neue deutsche Agrarpolitik auch erste positive Reaktionen. Ökolandwirte und Verbraucher begrüßten die Ankündigungen Schröders. Die FDP im Bundestag verlangte einen Untersuchungsausschuss, fand aber zunächst keine ausreichende Unterstützung anderer Fraktionen. (APA/dpa/AP)