Berlin/Wien - ÖVP-Obmann Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat am Donnerstag in Berlin an die Parteiführer der Europäischen Demokratischen Union (EDU) appelliert, die Ratifikation des EU-Vertrages von Nizza nicht zu verzögern. Das Ergebnis von Nizza sei "nicht perfekt", für die Weiterentwicklung der Union aber wichtig. Eine Verzögerung der Ratifikation könnte den EU-Erweiterungsprozess bremsen, eine solche Entwicklung sei keinesfalls wünschenswert, erklärte Schüssel nach Angaben seiner Pressesprecherin Heidi Glück. Schüssel rief die in Berlin versammelten Chefs konservativer und christdemokratischer Parteien auf, allfällige Bedenken konstruktiv in die "Post-Nizza-Agenda" einzubringen. Als Beispiele nannte er die Neuordnung der Kompetenzen, verstärkte Subsidiarität sowie rechtliche Verbindlichkeit der gleichfalls in Nizza verabschiedeten Grundrechtecharta. Zugleich appellierte der ÖVP-Chef an die Christdemokraten, sich um die Unterstützung der Bürger für "das Projekt Europa" zu kümmern. Das Projekt der europäischen Integration und der Erweiterung könne gefährdet werden, wenn die Regierungen "auf dem Weg zum vereinten Europa die Unterstützung der Bürger verlieren", warnte Schüssel. Die christdemokratischen Parteien seien aufgerufen, "die Bürger nach Europa mitzunehmen" und die Erweiterung der Union zu einer Erfolgsstory zu machen. Andernfalls könnte es in den europäischen Reformstaaten zu "einer strukturellen linken Mehrheit" kommen. Zuvor war bei der EDU-Parteiführertagung in Berlin Kritik an den "unzureichenden Ergebnissen" des Nizza-Gipfels laut geworden. Der finnische Vize-Regierungschef und EDU-Vorsitzende Sauli Niinistö merkte an, dass in Nizza geistige Führerschaft und europäische Vision gefehlt hätten. Für die Vorbereitung des nächsten EU-Gipfels sei die Einbeziehung der nationalen Parlamente notwendig, da sich die Staats- und Regierungschefs als "nicht ausreichend fähig" erwiesen hätten. CDU-Chefin Angela Merkel forderte eine Vision von Europa, von der unter in Nizza nichts zu spüren gewesen sei. Donnerstag nachmittag beginnt in Berlin ein dreitägiger Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP), an dem über 600 Delegierte von 42 christdemokratischen und konservativen Parteien teilnehmen. Schüssel kehrt Donnerstag Abend nach Österreich zurück. (APA)