Wien - Sicherheit ist eine dicke Schiene aus Metall. Einen Meter lang und gut vier Zentimeter breit, verriegelt sie die Eingangstür zum Frauenhaus. Innen, von Wand zu Wand; von außen verrät nichts an dem schlichten Zweistockgebäude, dass sich hier, inmitten des fünften Bezirks, ein Zufluchtsort für misshandelte Frauen befindet. Wer das Haus verlassen möchte, hinaus will zum Mann auf der Straße, muss einen kleinen, roten Knopf drücken. Und schon schiebt sich der Riegel zur Seite. Die Öffnungsbewegung beschert mancher Bewohnerin gemischte Gefühle: "Viele unserer Frauen wollen in den ersten Wochen nicht nach draußen", erzählt die Sozialarbeiterin Petra Spannring. So tief sitzt die Furcht. Sie ist in vielen Fällen wohl begründet: "Messerattentate, Kindesentführungen, ja, sogar Mordversuche: Es gibt sie, sie daheim, nicht in der dunklen Gasse finden statt", warnt die langjährige Frauenhaus-Mitarbeiterin vor bequemem Auf-die-leichte-Schulter-Nehmen" weiblicher Ängste. Zumal die letzten Jahre eine Zunahme "ganz schlimmer Gewalterfahrungen" mit Ehemännern oder Lebensgefährten gebracht hätten. Weitaus häufiger als früher erzählten Klientinnen von Drohungen mit Waffen, sadistischen Quälereien mit Messer oder Feuer, Töten von Haustieren und Zerstörung persönlicher Habseligkeiten durch den Mann. Familiäre Gewalttäter Warum das so sei? Vielleicht, weil nach Inkrafttreten des Wegweiserechts am ersten Mai 1997 "vermehrt die Opfer ganz brutaler Typen, die selbst Untersuchungshaft und Häfen in Kauf nehmen, zu uns kommen", startet Spannrings Kollegin Katja Hatzak einen Erklärungsversuch. Seit Polizei und Gendarmerie familiäre Gewalttäter für maximal 14 Tage vom Ort des Geschehens verbannen dürfen, müssten die Frauen "prügelnder Männer, die zumindest behördliche Aufforderungen respektieren", ihre Wohnung nicht mehr verlassen. In dieser Hinsicht habe sich das Wegweiserecht als "adäquates Mittel für mehr Sicherheit" erwiesen, lobt Hatzak: "Frauen und Gefahr, da denkt man an Tiefgaragen und dunkle Gassen. Dabei ist die Familie weitab der gefährlichste Ort für das weibliche Geschlecht", weiß sie. Werde doch im internationalen Durchschnitt jede fünfte bis zehnte Frau mit Gewalt in Beziehungen konfrontiert. Was, auf Wien umgelegt, 150- bis 300.000 Betroffene ausmache. Die meisten von ihnen blieben anonym, erläutert die Sozialarbeiterin. Versuchten, ihr Problem "privat" zu lösen. Zum Beispiel, indem sie für einige Tage zu einer Verwandten oder einer Freundin ziehen, um "ihn" ausspinnen zu lassen. Um nachzudenken "wie es weitergehen soll". Enge Verhältnisse Den derzeit 33 Frauen und Kindern im fünften Bezirk fehlte eine solche Perspektive. Oft, weil sie Immigrantinnen sind und nach den Fremdengesetzen auf Gedeih und Verderb vom Aufenthaltsrecht ihrer Männer abhängig. Eine Situation, die Druckausübung vonseiten der Männer erleichtert, wie Petra Spannring betont: ",Wenn Du nicht zu mir zurückkommst, ist's aus mit dem Visum.'" Und so schlafen und reden und spielen sie nun in den engen Zimmern. Dort sind fünf Betten Normalbelag, weshalb - so Spannring - "viele Frauen bei uns nicht allein mit ihren Kindern wohnen können". Ein Zustand, der bald ein Ende haben sollte: Wiens "Frauenhaus Eins" wird bald übersiedeln, das neue Objekt wird zurzeit renoviert, um 19,7 Mio. Schilling (1,4 Mio. EURO). Platz für Kinder Abgewohnt, aber bunt und freundlich eingerichtet ist Wiens ältestes Frauenhaus, mit leuchtend gelben, roten und blauen Vorhängen an den Fenstern. Im ersten Stock eine geräumige Küche, an der Wand "Kontur-Zeichnungen", angefertigt von Bewohnerinnen während der einmal wöchentlich stattfindenden Haussitzung. Für die Kinder ist Platz auf den Gängen, wo gemütliche Nischen zum Spielen eingerichtet wurden. Im Erdgeschoß ein Zimmer zum Toben: Die Gitter innen sollen das Fensterglas vor verirrten Bällen, jene außen die Ballwerfer vor ihren Erzeugern schützen. Diese haben prinzipiell keinen Zutritt zum Gebäude. Die Frauen sollen sich sicher fühlen, sollen zur Ruhe kommen. Und so werden vor dem Haus lauernde Männer genau im Auge behalten. Werden, sobald sie klingeln, aufgefordert, das Weite zu suchen. Und, so sie trotzdem bleiben, von der Polizei zum Weggehen gezwungen. Für den Fall der Fälle existiert sogar eine telefonische Direktleitung ins nächste Kommissariat. Doch die musste zum Glück noch nie aktiviert werden. (Irene Brickner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. Jänner. 2001)