Wien/Kiew - In die Aufklärung der Entführung und vermutlichen Ermordung des ukrainischen Onlinejournalisten Georgij Gongadse wurde nun das in Wien ansässige Internationale Presse-Institut IPI eingeschaltet. Dem Parlament der Ukraine liegen, wie berichtet, Tonbandaufnahmen vor, auf denen Staatspräsident Leonid Kutschma mit seinem Bürochef und dem Innenminister über die Beseitigung des kritischen Journalisten sprechen sollen. Kutschma bezeichnet die Aufnahmen als Fälschung. "Der Untersuchungsausschuss des ukrainischen Parlaments hat bei uns angefragt, ob wir dabei helfen können, die Bänder von unabhängigen Experten analysieren zu lassen", berichtet IPI-Direktor Johann Fritz dem S TANDARD . Gemeinsam mit Amerikas "Freedom House", einer weiteren Organisation zur Förderung der Pressefreiheit, sucht das IPI nun Tonstudios und Institute technischer Universitäten, die die Bänder überprüfen - laut Fritz Zusammenschnitte mehrerer, an verschiedenen Tagen geführter Gespräche in schlechter Tonqualität. "Außerdem brauchen wir Vergleichsbänder mit Reden Kutschmas." Enthauptete Leiche Die Affäre, die zu Massendemonstrationen gegen Kutschma führte, begann am 16. September, als das Verschwinden von Georgij Gongadse bekannt wurde. Der 31-jährige Gründer und Chef der Internetzeitung Ukrainska Pravda ( www.pravda.com.ua ) hatte sich als Aufdecker politischer Korruptionsskandale einen Namen gemacht. Wochen nach seinem Verschwinden wurde nördlich von Kiew eine enthauptete Leiche gefunden. Nach dem Abschluss von DNA-Analysen sagte Staatsanwalt Michailo Potebenko vor dem ukrainischen Parlament am Mittwoch dieser Woche, dass es sich bei der Leiche höchstwahrscheinlich um Gongadse handle, es gebe aber auch Zeugen, die den Journalisten nach dem 16. September lebend gesehen haben wollen. Schon im November waren dem Parlament Tonbänder vorgespielt worden, die Kutschmas früherer Leibwächter Nikola Melnitschenko heimlich aufgenommen haben will. Darauf soll zu hören sein, wie der Präsident anordnet, den Journalisten "nach Tschetschenien" zu schaffen. Melnitschenko wurde wegen Fälschung und Verleumdung angeklagt. Nach Abschluss der technischen Analyse im Auftrag von IPI und Freedom House wird das Ergebnis, so Direktor Fritz, zunächst einer Jury hochrangiger Journalisten aus Medien vom Kaliber New York Times und Neue Zürcher präsentiert, die ihre Bewertung dann in einer Pressekonferenz - in London oder Wien - bekannt geben sollen. (est)