Rom - Die italienische Mitte-Links-Regierung erwägt, Ausländern das kommunale Wahlrecht zu gewähren. Das erklärte die italienische Sozialministerin Livia Turco Medienberichten vom Samstag zufolge. Laut einer entsprechenden Gesetzesvorlage sollen Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis automatisch an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Die Ministerin plant auch ein Gesetz zur Reform der Regelungen für die Erlangung der italienischen Staatsbürgerschaft. "Mein Traum ist, dass die Kinder von Einwanderern der dritten Generation, die in Italien auf die Welt kommen, sofort die italienische Staatsbürgerschaft erhalten", betonte die Sozialministerin, die 1998 ein umstrittenes Immigrationsgesetz verfasst hat. Gegen das Vorhaben der Regierung, Einwanderern mit Aufenthaltserlaubnis das Wahlrecht bei Kommunalwahlen zu gewähren, tritt die norditalienische Autonomiebewegung Lega Nord auf. Auch die rechte Nationalallianz (AN) ist entschlossen, ein solches Gesetz im Parlament zu boykottieren. Die Sozialministerin wies die Attacken der Opposition zurück. Auch der spanische Premier Jose Maria Aznar habe Ausländern das Wahlrecht auf Lokalebene gewährt. "Die Einführung des Wahlrechts für Ausländer würde sowohl von den Parteien als auch von den Immigranten mehr Verantwortungsbewusstsein erfordern. Die Parteien werden nicht mehr politische Propaganda auf Kosten der Immigranten betreiben können. Die Ausländer werden ein Mittel in der Hand haben, um ihre Rechte zu verteidigen", erklärte Turco. Mangel an Arbeitskräften in Norditalien Italien will auf Grund des zunehmenden Bedarfs an Arbeitskräften in diesem Jahr die Einwanderungsquoten erhöhen. 2001 plant Rom, 63.000 Personen eine Einwanderungsgenehmigung zu gewähren, doch diese Zahl könnte bald steigen. Der Unternehmerverband Confindustria beklagt insbesondere den Personalmangel in der norditalienischen Industrie, die eine Phase wirtschaftlichen Aufschwungs erlebt. Italien brauche insgesamt 200.000 zusätzliche Arbeitskräfte. Laut dem Handelskammerverband Unioncamere ist der Personalmangel bei nicht qualifizierte Arbeitsplätzen in den nordöstlichen Regionen dramatisch. Im Veneto suchen die Unternehmen vergebens über 100.000 Angestellte. In einem Brief an Industrieminister Enrico Letta appellierte der Unternehmerverband Confindustria für eine Erhöhung der Immigrationsquoten für das heurige Jahr. Die Initiative der Unternehmer löste jedoch kritische Reaktionen des Gewerkschaftsverbands CGIL aus. "Bis vor wenigen Wochen hatte Confindustria das Wirtschaftswachstum bestritten, nun muss sie zugeben, dass die Unternehmer verdienen und sogar Personalprobleme haben", so CGIL-Chef Sergio Cofferati. Seiner Ansicht nach müsse man die Industriellen dazu motivieren, ihre Unternehmen nach Süditalien zu verlegen, um dort die Beschäftigung anzukurbeln und die massive Schwarzarbeit zu bekämpfen. Die Flexibilität des Arbeitsmarkts und die hohen Wohnungskosten, die vielen süditalienischen Arbeitnehmern den Weg nach Norditalien versperren, ist ein Schwerpunkt der politischen Debatte. "Das Problem ist, dass Italien ein lahmes Land ist. Nur wenige wollen in eine andere Stadt ziehen, die italienische Familie versucht ihre Kinder so lang wie möglich unter ihrem Schutz zu halten. Nur wenige sind bereit, Verantwortung und Risiken zu übernehmen", erklärte der Ex-Generaldirektor von Confindustria, der als heutiger Präsident der Bekleidungsgruppe Marzotto das Problem des Personalmangels stark zu spüren bekommt. Die Zahl der Immigranten wird in Italien auf Grund der Aufnahmekapazität der italienischen Wirtschaft bestimmt. Rom will seine Immigrationsquoten auf mehrere Länder verteilen. 12.000 Einwanderungsgenehmigungen werden an Ausländer verteilt, die von ihren künftigen Arbeitgebern direkt nach Italien gerufen werden. Dazu kommen 12.000 Saisonarbeiter und 6.000 Freiberufler. Italien hat außerdem Bedarf an 2.000 ausländischen Krankenpflegern und 3.000 Telekommunikationsexperten. Die Quoten könnten allerdings noch geändert werden. (APA)