Wien - Im Herbst dieses Jahres wird die neue Wiener Hauptbibliothek eröffnet. Die Bauzeit betrug hurtige zwei Jahre. Die Kosten rund 360 Millionen Schilling. Das Haus am Wiener Neubaugürtel soll die Region aufwerten und sie mit neuem urbanen Leben erfüllen, es soll Menschen in das ehemalige Ödland zwischen den Fahrspuren locken und dem Gürtel ein Positivimage verpassen. Doch die Architektur, die zu diesem Zweck gefunden wurde, entspricht dieser heiklen Aufgabe nicht. Sie ist letztlich nichts anderes als das Produkt politischer Machtspiele und sieht auch so aus: Ein schwerer, plumper Zikkurat ragt da inmitten des Autogetöses empor, eine pompöse Freitreppe befördert die Besucher durch den Gürtelsmog in das Innere des Büchertempels, der als braves, betonenes Monument für die Verweigerung der Stadtväter steht, die weitaus interessantere, aber leider halt privatwirtschaftliche und deshalb nicht bis zur letzten Häuslfliese unter Kontrolle zu bringende Variante zuzulassen. Die ungeliebte Wolkenspange Der Privatier und Baumeister Richard Lugner hatte um 1997 die Idee aufgebracht, den Bereich über der U6-Station Burggasse einer flotten Bebauung zuzuführen. Architekt Adolf Krischanitz entwarf ihm dafür ein elegantes, leicht wirkendes Gebäude, nannte es "Wolkenspange" und verband die Angelegenheit in luftiger Höhe mit einem über dem Gürtelasphalt schwebenden Riegel direkt mit Lugners City. Ein einigermaßen kühnes Konstrukt, zumindest für die Bundeshauptstadt Wien, wo jeder Quadratzentimeter Architektur von mindestens sieben Magistraten abgesegnet werden muss, was in anderen Fällen natürlich auch sinnvoll ist. In diesem Fall blieb der Segen aber aus, obwohl Lugner als Finanzier für die anfallenden 250 Millionen aufgetreten wäre. Eine Einigung mit dem zuständigen Stadtrat Bernhard Görg kam trotz wiederholter Adaptionen der Planungen nicht zustande. Schließlich begrub man die Idee und schrieb einen Wettbewerb für die Bibliotheksarchitektur aus, den Architekt Ernst Mayr für sich entscheiden konnte. 104.000 eingeschriebene Bibliotheksbenutzer gibt es in Wien. Ob die den Gürtel nachhaltiger vitalisieren werden als die Jugendlichen, für die Lugners Wolkenspangen-Erlebniscenter gedacht war, sei dahingestellt. Das so oft - auch seitens der EU - geforderte privatwirtschaftliche Engagement war jedenfalls da, es ist gescheitert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 1. 2001)