Wien - "Die Nichtbeachtung der Qualifikation der Mitarbeiter bedeutet eine Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Österreich", sagt Brigitte John-Reiter, Geschäftsführerin der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin (AAm). Mit dem Begriff "Humankapital" können nämlich 58 Prozent der Unternehmen in Österreich nichts anfangen. Gleichzeitig geben aber 60 Prozent an, intellektuelles beziehungsweise menschliches Kapital wäre ihnen wichtig. Das geht aus einer Studie der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hervor. Der zur Entwicklung des Humankapitals notwendige Einsatz von Arbeitsmedizinern werde aber von drei Viertel der Unternehmen eher als Einhaltung lästiger Vorgaben durch das Arbeitnehmerschutzgesetz (AschG) verstanden.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein will in einer Novelle die Mindesteinsatzzeiten der Arbeitsmediziner von 1,5 Stunden pro Arbeitnehmer und Jahr auf 1,2 reduzieren. Das stößt aber sowohl bei der Ärztekammer als auch bei der AAm auf wenig Gegenliebe. "Man soll nicht über Beträge diskutieren, die ein Tausendstel der Lohnnebenkosten ausmachen, sondern lieber in die Forschung investieren", sagt John-Reiter. Außerdem müsse definiert werden, was in dieser Zeit passieren soll.

Bevor die Arbeitsmedizin, wie seitens der AAm gefordert, zu einem Managementinstrument werden kann, müssten konkrete Kriterien entwickelt werden, um den Wert des Humankapitals beziffern zu können. Dazu soll noch in diesem Jahr von der AAm ein Forschungszentrum eingerichtet werden. Vor allem gelte es die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erhalten, da die Menschen eine immer höhere werdende Lebensarbeitszeit durchhalten müssten. Wichtig seien Fragen der Ergonomie, Arbeitstechnologien oder der Unternehmenskultur. (ee, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 16. 1 . 2000)