Monaco - Wie bringen es Korallen nur fertig, sich auf sandigem, bewegtem Meeresgrund so zu verankern, dass sie zu großen Riffen heranwachsen können? Eine bislang unbekannte Antwort fanden John Chisholm und Russell Kelley, die am Wissenschaftszentrum in Monaco mit einer Infrarotkamera das nächtliche Treiben in einem Aquarium filmten. Sie beobachteten dabei erstmals lichtscheue Würmer aus der Familie der Euniciden, die geschäftig Korallenbröckchen zusammenschoben und mit einem seidenähnlichen Sekret verklebten. Zweck der Übung: sich ein festes Dach über dem Kopf zu schaffen. Wenn nun viele dieser Häuslbauer nebeneinander arbeiten, folgerten die Forscher, muss eine kritische Masse aus hartem Substrat entstehen - ideal für die Korallenbesiedlung. Die wie ein Schuhband aussehenden Würmer, die in freier Natur an die zwei Meter lang werden können, interessierten sich im Aquarium ausschließlich für die Korallenart Lobophyllia hemprichii, eine Variante, die eng stehende Verästelungen bildet und daher leicht zu "greifen" sein dürfte. Die Bröckchen wurden bis zu 16 cm weit transportiert. Würmer sind allerdings nicht die einzigen Meeresbewohner, die einen festen Untergrund für Korallen schaffen. Auch einige Garnelen, Fische und Seeigel können Korallen, Muscheln und Geröll bewegen. Die Euniciden brachten die Wissenschafter auf eine Idee: Vielleicht könnte man, überlegten sie, die Würmer in jenen Meeresregionen freisetzen, wo die Korallen durch Erosion immer weniger werden. Ob ein derartiger Eingriff allerdings sinnvoll wäre, steht dahin. (Nature, BD. 409, S. 152) (hk - DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 1. 2001)