Als vor zehn Jahren die Alliierten gegen den Irak losschlugen, wusste man genau, gegen wen es ging: gegen eine Wiedergeburt Hitlers, den "Wiedergänger", wie es Hans Magnus Enzensberger formulierte, die Bestie, die die Welt wieder in einen neuen großen Krieg zwang. Saddam Hussein war ja derjenige, der schon 1979 den Krieg gegen den Iran vom Zaun gebrochen, die Kurden verfolgt und vergast und jede Kritik in seinem Land blutig ausgemerzt hatte. Dass man im Westen, als das alles geschah, mehr oder weniger geschwiegen hatte, sagte man nicht unbedingt dazu. Eine Karikatur aus den Achtzigerjahren zeigt den Herrscher vom Tigris an der Seite von Uncle Sam, wie sie beide mutig gegen den Erzbösen - Khomeini - aufstehen: um ihre Ölfässer zu verteidigen. Es muss irgendwann während des Irak-Iran-Kriegs gewesen sein (den er nur mit US-Hilfe so halbwegs bestehen konnte), dass der Verteidiger der westlichen Ölfässer den Kontakt zur Realität verlor. Die im Krieg mit westlicher Hilfe begonnenen Programme für Massenvernichtungswaffen wurden nach dessen Ende weiter verfolgt, als ob die USA dabei einfach so zuschauen würden, wie Saddam - dessen Weg nach oben die CIA mit Rat und Tat begleitet hat, schon um ihn nicht den Kommunisten in Moskau zu überlassen - sich langsam unabhängig machte. Der Überfall auf Kuwait war ein Vorgeschmack dessen, was ein zu starker Saddam sich zutraute - und bot den USA die Gelegenheit, mit Sanctus der UNO dem Treiben ein Ende zu machen. Offensichtlich war Saddams Realitätsverlust schon so groß, dass er bis zuletzt nicht mit einem Angriff rechnete. Wie alle Diktatoren hatte und hat er auch niemanden, der ihm die Wahrheit ins Gesicht sagt. Von Saddam Husseins miserabler und brutaler Kindheit - Vater gab es keinen, der Stiefvater drangsalierte ihn - wurde oft erzählt. Er befreite sich durch Lernen aus der Misere, obwohl in den Jahren, die er an der Universität zubrachte, das Interesse für die Politik bereits überwog. Als kleiner Baath-Parteifunktionär war er in einen Attentatsversuch an dem (1963 ermordeten) Staatschef Kassem verwickelt und musste nach Ägypten fliehen. So ungeschickt die Aktion war: Ein Held war geboren. Als 1968 die Baath-Partei endgültig den Irak übernahm, begann Saddam eine unglaubliche Anzahl von Funktionen zu sammeln, die ihn bald mächtiger machten als den nominellen Chef Hassan al-Bakr, den er 1979 in Pension schickte. Heute befindet sich Saddam, so mächtig und reich er ist - sein Name findet sich in der Liste der Reichsten der Welt -, ständig auf der Flucht, er wechselt seine Aufenthaltsorte ständig. Und wenn, wie so oft, Attentatsversuche misslingen, heißt es in Bagdad: Da hat ihn wieder einmal die CIA gewarnt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.01.2001)