Asien & Pazifik
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il überraschend in China
Konsultationen vor geplantem Seouler Nord-Süd-Gipfel
Peking/Seoul - Der nordkoreanische Führer Kim Jong Il hält sich zu einem überraschenden Besuch in der Volksrepublik
China auf. Wie am Dienstag in Peking und in Seoul bekannt wurde, traf Kim Jong Il, der Parteichef, aber offiziell nicht Staatsoberhaupt ist,
am Montag in Shanghai ein. Er soll die Sonderwirtschaftszone Shenzhen besuchen und anschließend nach Peking reisen. Der nordkoreanische
Sonderzug mit Kim Jong Il und seiner Begleitung überquerte am Montagmorgen den Grenzübergang Dandong, bestätigten Bahnhofsquellen.
Während des einwöchigen inoffiziellen Arbeitsbesuchs werde Kim Jong Il mit Staats- und Parteichef Jiang Zemin und weiteren Mitgliedern
der chinesischen Führung zusammentreffen, meldete die südkoreanische Zeitung "Joongang Ilbo" unter Berufung auf Seouler
Regierungsquellen. Zweck des Besuches seien Konsultationen mit der chinesischen Führung vor dem nächsten koreanischen
Nord-Süd-Gipfel voraussichtlich im März in Seoul. Auch wolle sich Kim Jong Il mit eigenen Augen ein Bild von den Vorteilen der
chinesischen wirtschaftlichen Öffnungspolitik machen.
Zweiter Besuch innerhalb von acht Monaten
Kim Jong Il wolle mit Chinas Führungsspitze auch über den neuen US-Präsidenten George W. Bush sprechen und über die Frage, wie der
Dialog mit den USA fortgesetzt werden könne. Es handelt sich um den zweiten China-Besuch des nordkoreanischen Führers innerhalb von
acht Monaten. Ende Mai vergangenen Jahres war er bereits zu einem zunächst geheim gehaltenen Besuch in Peking, um den ersten
innerkoreanischen Gipfel mit dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung im Juni in Pjöngjang vorzubereiten.
Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete unter Berufung auf Parteiquellen in Peking, Kim Jong Il sei zunächst nach
Shanghai gefahren. Das Außenamt der wirtschaftlichen Sonderzone Pudong, das moderne Aushängeschild der Hafenmetropole, bestätigte die
Vorbereitungen für den hohen Besucher aus Nordkorea. Aus dem Außenministerium in Peking gab es zunächst keine Bestätigung.
Heftige Kritik an Kim Jong Il
Der deutsche Arzt Norbert Vollertsen hat unterdessen im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" heftige Kritik an den nordkoreanischen
Machthabern geübt. Auch fünf Jahre nach der Aufnahme internationaler Hungerhilfe für Nordkorea hat sich nach den Worten des
Mitarbeiters der Hilfsorganisation "Cap Anamur" am Leid der Menschen in dem streng isolierten Land nichts geändert, während die
Partei-Elite "im Wohlstand schwelgt". Die Situation für die normalen Bürger sei immer noch die gleiche. Außer fortgesetzter Hilfe müsse das
Ausland zugleich den Druck auf die nordkoreanische Führung verstärken, um die Menschenrechtslage und das Los der 22 Millionen Bürger
zu verbessern.
Es gebe Anzeichen von Folter als ein wichtiges Mittel der Unterdrückung möglicher Opposition, sagte Vollertsen. Auch Zwangsarbeit
schienen weit verbreitet, vor allem bei Frauen und Kindern. Vollertsen war im Juli 1999 nach Nordkorea eingereist und dort vor allem in
einem Krankenhaus nördlich von Pjöngjang tätig. Der Westen habe die Pflicht, humanitäre Verbesserungen zu fordern, "sonst machen wir uns
mitschuldig an den Verbrechen des stalinistischen Regimes", sagte der deutsche Arzt. (APA/dpa)