Kosovo
Dauer des UNO-Engagements im Kosovo in Diskussion
Unbegrenzte Verlängerung möglich
Belgrad/Pristina/Wien - Über das spätere Schicksal der völkerrechtlich immer noch zu Serbien und zur Bundesrepublik Jugoslawien gehörenden Provinz
besteht keine internationale Übereinkunft. Als die derzeit wahrscheinlichste Option erweist sich nach übereinstimmender Auffassung von
Völkerrechtsexperten eine zeitlich nicht limitierte Prolongation des Protektorats-Status.
Das nach dem Kosovo-Krieg 1999 errichtete Protektorat, das durch die NATO-geführte internationale Streitmacht KFOR ausgeübt wird,
basiert auf der Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates. Seine Beendigung würde in jedem Fall einen neuen UNO-Beschluss
voraussetzen, der unter Umständen am Veto eines Ständigen Mitglieds scheitern könnte. Dür die Dauer der internationalen
Übergangsverwaltung hat die Staatengemeinschaft keinen zeitlichen Rahmen festgelegt.
Resolution legt Status fest
Die Resolution 1244 enthält die ausdrückliche Verpflichtung zur "Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität Jugoslawiens". Dem
Kosovo werden lediglich "substanzielle Autonomie und Selbstverwaltung" nach einer Periode internationaler Überwachung versprochen.
Zugleich verwendet die Sicherheitsrats-Entschließung (§ 10) den Begriff "people" für die Bezeichnung der Einwohner der Provinz. Mit dieser
Begriffswahl könnte den Kosovaren das Selbstbestimmungsrecht zugestanden werden, denn nach völkerrechtlicher Doktrin sind nur Völker
("peoples") befugt, das Selbstbestimmungsrecht in Anspruch zu nehmen; demgegenüber besitzen Minderheiten ("minorities") nur das Recht auf
Schutz ihrer kulturellen Eigenart.
Gegenwärtig besteht kein Zweifel daran, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovaren wie sämtliche Albaner-Führer für die
Eigenstaatlichkeit eintritt. Denkbar wäre aber auch eine großalbanische Lösung (Vereinigung mit Albanien) oder die Umwandlung
Klein-Jugoslawiens in eine lose Konföderation (in der dem Kosovo ein eigenständiger Status wie jener Montenegros eingeräumt werden
müsste). Für sämtliche Albaner-Parteien ist eine Rückkehr zu der 1989 von Belgrad aufgehobenen Autonomie aber nicht ausreichend.
Selbstbestimmungsrecht
Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts wäre auch insofern problematisch, als das Abstimmungsgebiet übereinstimmen müsste mit der
geografischen Abgrenzung der Provinz, wie sie im früheren Jugoslawien bestand. Die albanische Bevölkerung in der Pufferzone jenseits der
Administrativgrenze in Südserbien wäre davon ausgeschlossen.
Durch die letzte Bundesverfassung Tito-Jugoslawiens von 1974 waren die beiden Provinzen Kosovo und Vojvodina (die 1912 bzw. 1918 zu
Serbien kamen) in nahezu allen Bereichen den sechs Teilrepubliken (Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und
Mazedonien) gleichgestellt. Die Tito-Formel des "freien Zusammenschlusses der jugoslawischen Nationen" impliziert nach
albanisch-kosovarischer Auffassung auch die Möglichkeit eines "freien Austritts" aus der Föderation. (APA)