Kinshasa/Wien - Genau 40 Jahre nach dem Meuchelmord an dem kongolesischen Unabhängigkeitsführer und ersten Regierungschef Patrice Lumumba, der im Jänner 1961 in der ganzen Welt einen Schrei der Empörung auslöste, ist Präsident Laurent-Desire Kabila umgebracht worden. Der Staatschef betrachtete sich selbst als Verteidiger des politischen Erbes und der sozialistischen Ideale Mobutus. "Er war die Symbolfigur für die Befreiung Afrikas. Sein Vermächtnis ist für uns Quelle der Inspiration", sagte Kabila bei seiner Machtübernahme vor vier Jahren. Er wolle "dort fortsetzen, wo unser Nationalheld und Märtyrer Patrice Lumumba aufhören musste". Indem er nach langem Kampf das korrupte Mobutu-Regime stürzte, verstand sich Kabila auch als später Rächer Lumumbas, an dessen Seite er gegen die belgische Kolonialmacht gekämpft hatte. Lumumba war von seinem Armeechef Joseph-Desire Mobutu (später: Mobutu Sese Seko) gestürzt und seinen Mördern ausgeliefert worden. Unter bis heute ungeklärten Umständen wurde er in der Hochburg der von Moise Tshombe angeführten Katanga-Sezessionisten ermordet. Seine Leiche wurde in einem mit Säure gefüllten Fass eines belgischen Bergbauunternehmes aufgelöst. Land versank im Chaos Das Land versank schon wenige Monate nach der Unabhängigkeit im Chaos. Auf dem Weg zu Verhandlungen mit Tshombe kam der UNO-Generalsekretär, der Schwede Dag Hammarskjöld, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Jahrzehnte später, nach dem Sturz des Apartheidregimes in Südafrika, sollten der dortigen Wahrheitskommission unter Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Erzbischof Desmond Tutu Beweise für ein Mordkomplott in die Hände fallen, bei dem der US-Geheimdienst CIA und der südafrikanische Geheimdienste Regie geführt hatten. Die Geschichte Belgisch-Kongos war die einer längst überfälligen Entkolonisierung. 1885 hatte der belgische König Leopold II. ein großes Gebiet in Afrika (das Achtzigfache der Fläche Belgiens) zum "Kongostaat" proklamiert, der als sein Privatbesitz zu einem gewaltigen Zwangsarbeitslager mit dem einzigen Ziel eine möglichst hohen Kautschuk- und Elfenbeinausbeute wurde. Von den reichen Kupfervorkommen und Diamantenlagern wusste man damals noch nichts. Die Verhältnisse beunruhigten nicht nur andere Mächte, sie führten auch zu einer internationalen Bewegung gegen Leopold II. und das System der Ausbeutung im Kongo. Menschenrechtsverfechter, Journalisten und Autoren wie Mark Twain trugen dazu bei, dass 1908 Belgien den Kongostaat als Kolonie übernahm und den schlimmsten Auswüchsen des brutalen Ausbeutungssystems ein Ende setzte. Belgische Kolonialherren Das, was Belgien als eine Rechtfertigung seines Kolonialwerks vorweisen wollte, half mit, dessen Ende zu beschleunigen. Beim Panafrikanischen Kongress 1958 in der ghanesischen Hauptstadt Accra trat die Befreiungsbewegung MNC (Mouvement National Congolais) auf. An ihrer Spitze stand der Postangestellte Patrice Lumumba, der bei seiner Rückkehr festgenommen wurde. Doch Brüssel stimmte unter dem Druck der Ereignisse der Beschleunigung des Unabhängigkeitsprozesses zu. Die Startbedingungen waren allerdings denkbar schlechte. Die Kolonialherren hatten fast nichts in das Bildungssystem investiert. Im Mai 1960 wurden überstürzt Wahlen durchgeführt, Lumumba wurde Premier, Joseph Kasavubu Staatspräsident. Am 30. Juni entließ König Baudouin I. das riesengroße Land offiziell in die Unabhängigkeit. Bei der Feier erinnerte Lumumba den Monarchen an alle Demütigungen einer bitteren und Menschen verachtenden Vergangenheit. Die von der Ex-Kolonialmacht gesteuerte Katanga-Sezession unter Tshombe beraubte das Land seiner wesentlichen Bodenschätze. Kasavubu und Lumumba wandten sich an die UNO, deren Friedenstruppen in den blutigen Konflikt hineingezogen wurden. Der jahrzehntelang vom Westen gestützte Diktator Mobutu, der 1965 auch Kasavubu absetzte, bereicherte sich skrupellos und brachte Milliarden ins Ausland. Auch nach dem Sturz des Despoten und der Machtübernahme Kabilas ist die Lage katastrophal. Auf kongolesischem Boden stehen Soldaten aus fünf Nachbarstaaten. (APA)