Es gibt sie noch die Dörfer und Stämme mit anderen Geschlechterverhältnissen als dem uns geläufigen, alles umfassenden Patriarchat. Geschlechtsegalitäre Gesellschaften waren bislang jedoch nur von WildbeuterInnen wie IrokesInnen, Hopi und Minangkabau bekannt. Das besondere an Tehuantepec, dem kleinen mexikanischen Dorf: es ist das weltweit einzige „Matriarchat“ in einer Industriegesellschaft. In Mexiko, dem Land der Machos, eine Ausnahme. Wie bereits desöfteren in europäischen Medien und zuletzt in der ORF-Sendung "Am Schauplatz" (16.01.01) berichtet, haben hier die Frauen das Geld in der Tasche, die Männer bekommen lediglich Taschengeld. Und auch das ist gering bemessen. Aber nicht nur in finanzieller Hinsicht sind die Frauen von Tehuantepec mächtig, alle wesentlichen Entscheidungen werden nur von ihnen getroffen. Weibliche Macht, die ihnen gut zu tun scheint: Bestens gelaunt, verstehen sie zu feiern, tanzen gerne und sind äußerst trinkfest. Die Arbeitsteilung Geschäft ist Frauensache. Am Markt verkaufen nur Frauen, sie machen das Geld, während Männer hier lediglich für das Verladen der Waren zugelassen sind. Umgekehrt wird Feldarbeit als reine Männersache verstanden, denn „eine Frau am Feld wäre der Macho im Haus“. Männer, die in anderen Bereichen Geld verdienen, liefern es bei ihren Frauen ab. Sie kriegen nur das, was sie für Kneipenbesuche brauchen. Die Verwalterinnen des Geldes sind Frauen. „Frauen sind finanziell geschickter“ Warum das so ist, darüber sind sich die Frauen und Männer Tehuantepecs einig: Männer würden das Geld einfach ausgeben, Frauen nicht, weil sie finanziell geschickter seien. Frauen hätten das Verkaufen im Blut. Eine, die es zu besonderem Reichtum gebracht hat: „Männer wissen einfach nicht, wie man´s macht. Manche können ja nicht mal zählen“. Ökonomisch unabhängig seien die Frauen schon immer gewesen. Was sie verdienen, legen sie in Gold an, um in schlechten Zeiten etwas auf der Seite zu haben. Oder für die Ausbildung der Kinder. Entscheidungen sind Frauensache „Wir sind schon von unseren Müttern geleitet worden. Wir sind stolz auf unsere Frauen, es sind ganz besondere Charaktere. Wir richten uns von jeher nach dem Rat der Frauen“, berichtet ein älterer Mann. Und eine Frau ergänzt: „Unsere Männer haben Ehrfurcht, Achtung und Respekt vor uns. Immerhin sind wir Frauen, Damen sozusagen“. Hier sind es die Frauen, die Entscheidungen treffen. Die richtigen, so scheint es. Denn „unterdrückte Männer gibt es hier nicht“, sagt der Mann. Die Egalität zwischen den Geschlechtern zieht auch die Gleichbehandlung Homosexueller nach sich. In Tehuantepec werden Lesben und Schwule nicht diskriminiert. Sie würden „sogar geliebt“, sagt ein Schwuler. ...ein wenig Machismo Ganz so rosig ist es um die Gleichberechtigung aber auch hier nicht bestellt. Denn neben ihrer Arbeit auf dem Markt sind Haushalt und Kindererziehung Sache der Frauen. So wie überall sonst auf der Welt ruhen sich die Männer nach getaner Feldarbeit aus und warten, bis ihnen das Essen serviert wird. Das gefällt den Frauen zwar nicht – „Männer müssen dauernd ruhen, sie sind faul“ – aber sie geben sich selbst die Schuld: „Wir haben sie nicht richtig erzogen“. „Eine Frau - kein Dummkopf“ Doch der Eindruck, den diese Frauen vermitteln, ist überaus positiv: Selbstbewusste Frauen, breitbeinig dasitzend, lebhaft gestikulierend und laut lachend. Einstimmigkeit: „Uns redet niemand drein!“ Und so manche sagt stolz: “Ich bin schließlich eine Frau und kein Dummkopf“. (dabu)