Inland
Pilz: Regierung in der Sicherheitspolitik zerrissen
Schüssel setzte Sicherheitsdoktrin auf Tagesordnung, FPÖ ging nicht mit
Wien - Von Uneinigkeiten zwischen den Regierungsparteien in Sachen Sicherheitspolitik berichtete am Mittwoch der Grüne Abg. Peter
Pilz in einer Pressekonferenz. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel habe am 9. Jänner im Ministerrat ohne Absprache mit dem
Verteidigungsminister den Analyseteil der Sicherheitsdoktrin "überfallsartig" beschließen lassen wollen. Darin wäre eine Festlegung auf den
NATO-Vollbeitritt enthalten gewesen. Die FPÖ habe nicht mitgemacht und den "Überfall Schüssels" verhindert.
Normalerweise sollten, so Pilz, in einem Analyseteil keine Empfehlungen stehen. In dem von Schüssel vorgelegten Papier - das seit Mitte
Dezember vorliege - habe sich aber u.a. die Formulierung gefunden: "Die Unverletztlichkeit des Staatsgebietes und der Schutz der Güter der
Republik wird heute am wirksamsten durch eine umfassende und gleichberechtigte Mitwirkung Österreichs in der Solidargemeinschaft der
europäischen Staaten erreicht, wozu auch eine volle Teilnahme am euro-atlantischen Sicherheitsverbund gehört."
Weg für öffentliche Debatte offen
Dass Schüssel den Analyseteil als "Tischvorlage" auf die Tagesordnung des Ministerrates setzte und dieser dann wieder abgesetzt wurde, habe
Scheibner im heutigen Landesverteidigungsausschuss auf seine Nachfrage bestätigt, berichtete Pilz. Als Motiv sei genannt worden, dass man
eine öffentliche Diskussion ermöglichen wolle.
Pilz hat "den Eindruck, dass diese Geschichte von der FPÖ ganz anders gesehen wird als von der ÖVP". Schließlich sei bei der FPÖ-Klientel ein
NATO-Beitritt wesentlich unpopulärer als unter der ÖVP-Klientel. Offenbar bewege sich hier in der FPÖ einiges: "Vielleicht stellt die FPÖ hier
demnächst ein Ultimatum an den Bundeskanzler..." Jedenfalls sei jetzt der Weg für eine breite öffentliche Debatte über die Sicherheitspolitik
offen.
Die Grünen selbst werden eine solche führen - und dabei auch die Neutralität diskutieren. In ein bis zwei Monaten werden Pilz und Voggenhuber
das Grüne Konzept für die Sicherheitspolitik vorlegen. Drei Optionen sieht Pilz: 1. Wiederherstellung der Neutralität, die schon unter
SPÖ-Kanzlern "reduziert und beschädigt" worden sei. 2. Ein bündnisfreies Österreich in einem europäischen Sicherheitsgefüge, das sich von den
USA emanzipiert. 3. Den NATO-Beitritt und damit "sich dem amerikanischen Kommando zu unterstellen".
NATO-Beitrittsbefürwortung wäre "Wunder"
Was das Ergebnis der Diskussion sein werde, könne er heute noch nicht sagen, aber das "Wunder", dass die Grünen für den NATO-Beitritt sind,
schloss er aus. Für Pilz selbst ist der Ansatz der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft ein "guter" - nämlich dass sich "bündnisfreie Staaten
anschicken, an der Emanzipation der europäischen Sicherheitspolitik vom amerikanischen Kommando zu befreien", wobei freilich ein "neues
positives Verhältnis" zu Amerika geschaffen werden müsse.
Auch für Österreich sei der Kern der Neutralität die Bündnisfreiheit, meinte Pilz. Und er hat auch nichts dagegen, dass sich Österreich z.B. am
Eurocorps beteiligt, also dem Einsatz auch bewaffneter Truppen zur Friedenssicherung. Wichtig ist für ihn nur, dass dies auf Basis eines
UNO-Mandats geschieht.
Jedenfalls müsse sich Österreich frühzeitig entscheiden. Pilz regt eine breit besetzte Kommission zur sicherheitspolitischen Diskussion an - und
will sofort nach Beschluss einer Sicherheitsdoktrin eine Volksabstimmung durchgeführt haben. (APA)