Wien - Johann Marte, Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibibliothek, bemühte sich als Einladender die Situation so gut als möglich über die Runden zu bringen. "Sie haben ein Globalisierungsszenario entwickelt, das von Angst gezeichnet ist", meinte er zum Referat von Joannis Kogoulis, einem Theologen an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, der sich als wahrer Fundamentalist präsentierte. Der Grieche sprach Dienstagabend im Palais Epstein auf Einladung von pro oriente über Globalisierung und die hellenisch-orthodoxe Tradition. Pro oriente ist von Kardinal Franz König gegründet worden und bemüht sich um Zusammenarbeit mit anderen Kirchen. Marte ist ihr derzeitiger Vorsitzender. Für Kogoulis sind Individualisierung und Globalisierung "die großen Dramen Europas". Fremde Religionen versuchten sich auszubreiten, durch die Entnationalisierung lösten sich die Staaten auf. Die hauptstrategischen Ziele sei eine Neuordnung der Welt mit einer weltweiten Regierung, die die absolute Kontrolle ausüben wolle. Es sollte eine weltweite synkretistische Religion etabliert werden. Die Globalisierung versuche mit Gewalt die Völker anzugleichen. Er beklagte die Einwanderung in Griechenland, die Ausländer brächten Kriminalität ins Land, "es können Krankheiten ausbrechen". Die Ausländer erhielten Geld aus den Staatskassen. Durch den EU-Beitritt sollen kleine Länder wie Griechenland assimiliert, geistig und ethnisch eingenommen und wirtschaftlich unterdrückt werden. Wenn das mit der multikulturellen Gesellschaft, die von der griechischen Regierung forciert werde, so weitergehe, seien die Griechen bald die Minderheit im eigenen Land. Sprachlosigkeit Diese Auslassungen von Kogoulis lösten unter den rund 100 Zuhörern eine gewisse Sprachlosigkeit aus. Manche fragten sich, ob sie den Theologen angesichts dessen schlechten Deutsch vielleicht nicht richtig verstanden hätten. Doch auf Nachfrage betonte der Grieche, "wir (die griech.-orthod. Kirche, Red.) versuchen die Realität zu sehen. Das sind unsere Sorgen." Man müsse dabei die 400-jährige Geschichte der Unterdrückung Griechenlands im Auge haben. Marte, von den negativen Ausführungen sichtlich überrascht, zeichnete ein anderes Bild der Hellenen und Europas. "Europa war stark, weil es bereit war, neue Kulturen aufzunehmen und zu transformieren. Wäre Europa nicht schrecklich, wenn es sich abschotten würde?" Dem politischen fügte er theologisches Argument hinzu. Jesus Christus habe sich mehrfach für die Kultur des Fremden ausgesprochen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 1. 2001)