Asien & Pazifik
Philippinen: Estrada hält sich Rückkehr an die Macht offen
Expräsident spricht nur von vorübergehender Amtsabtretung
Manila - Der nach Massenprotesten vom Amt des
philippinischen Präsidenten zurückgetretene Joseph Estrada hat sich
offenbar die Tür für eine Rückkehr zur Macht offen gehalten. In einem
am Montag bekannt gewordenen Brief an Senatspräsident Aquilino
Pimentel erklärt Estrada, er habe sein Amt nur vorübergehend an
Vizepräsidentin Gloria Macapagal Arroyo abgetreten.
Das Schreiben Estradas trägt das Datum vom Samstag, dem Tag seines
Rücktritts, wurde aber erst am Montag dem Senatspräsidenten
zugestellt. Darin verweist der Expräsident darauf, dass er keine
Rücktrittserklärung unterzeichnet habe und seinen Amtsgeschäften nur
vorübergehend nicht nachkommen könne. Deshalb habe er die Vollmachten
zeitweise an die Vizepräsidentin übertragen. "Das Schreiben könnte
die Grundlage für einen Verfassungskonflikt sein", sagte Pimentel.
Nachdem Estrada am Samstag den Präsidentenpalast verlassen hatte, war
die Vizepräsidentin als seine Nachfolgerin vereidigt worden.
Ermittlungen
Macapagal Arroyo nahm am Montag in Manila ihre Arbeit auf. Die
53-Jährige rief am Montag alle Kräfte des Landes auf, bei der
Überwindung der seit einem Vierteljahr währenden politischen Krise zu
helfen. Alle müssten sich den Herausforderungen stellen, sagte sie
bei einer Zeremonie im Präsidentenpalast. Den Verteidigungsminister
Orlando Mercado wies sie an, die Friedensverhandlungen mit den
islamischen Rebellen der Moro-Befreiungsfront wieder aufzunehmen.
Die Rebellen hatten die Gespräche nach dem Start einer
militärischen Großoffensive im Süden der Philippinen im vergangenen
Jahr abgebrochen. Mercado und der Oberkommandierende der
Streitkräfte, General Angelo Reyes, hatten am Freitag Estrada ihre
Unterstützung entzogen und damit seinen Sturz beschleunigt.
Der Bürgerbeauftragte der Regierung, Aniano Desierto, gab
unterdessen den Beginn umfassender Korruptionsermittlungen gegen den
Expräsidenten bekannt. Estrada werden sechs schwerwiegende Verstöße,
darunter die Plünderung der Staatskasse, vorgeworfen. Darauf steht
die Todesstrafe. Desierto sagte aber, es sei eher unwahrscheinlich,
dass gegen Estrada die Höchststrafe verhängt werde.
Estrada hat nun nach Angaben der Anklagebehörde zehn Tage Zeit,
eine schriftliche eidesstattliche Erklärung in eigener Sache
abzugeben. Estrada wird vorgeworfen, sich aus öffentlichen Geldern
unrechtmäßig um Millionen von Dollar bereichert zu haben. Ein
Amtsenthebungsverfahren im Senat wurde kurz vor seinem Rücktritt
abgebrochen.(APA/AP/Reuters)