Mit seiner Äußerung in Alpbach, innerhalb der Europäischen Union dürfe es keine Neutralität mehr geben, hat Bundeskanzler Schüssel eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen, die von europapolitischer Relevanz ist. Im Kreise von Freunden gibt es keine Neutralität. Spätestens seit dem Vertrag von Amsterdam und dem Gipfel von Pörtschach, der noch unter einem sozialdemokratischen Kanzler Klima stattfand, ist dies allen klar. Wer das Gegenteil behauptet, betreibt Verschleierungstaktik. Neutralität . . . Die Tür zur Nato ist offen geblieben, allerdings - wegen des beharrlichen Widerstandes und dem Festhalten der jetzigen Opposition aus Sozialisten und Grünen - nicht offen für Österreich. Die Nato fragt uns nicht einmal. Ein Indiz dafür ist eine erst kürzlich erschienene Analyse eines hochrangigen CDU-Politikers, der in der nächsten Erweiterungsrunde der Nato Bulgarien und Rumänien sowie Slowenien und die Slowakei sieht, aber Österreich nicht mit einem Wort erwähnt. Das durch nichts gerechtfertigte Festhalten am Mythos Neutralität und die damit verbundene Ablehnung einer Nato-Option führen zu einer Marginalisierung Österreichs. Obwohl wir zur Währungsunion gehören, werden wir nicht zu Kerneuropa gehören. Das hat nichts mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ zu tun, wie uns Sozialdemokraten und Grüne gerne glauben machen wollen, sondern weil eben sie es sind, die an der Neutralitätsfiktion festhalten und uns in eine absurde Außenseiterposition drängen. Man stelle sich vor, Slowenien und die Slowakei sind ebenso wie Ungarn und Tschechien demnächst Mitglieder der Europäischen Union und gleichzeitig Mitglieder der Nato, Österreich aber nicht, dann wird dies automatisch zu einem Einflussverlust Österreichs in der EU führen. Die Erklärung dafür ist einfach: Im unumgänglichen Post-Nizza-Prozess werden auch die Zuständigkeiten für die gemeinsame Sicherheits-und Verteidigungspolitik der EU zu klären sein, um auf diese Weise eine klare Kommandostruktur zu schaffen. . . . ad acta legen Dies entspricht auch den Wünschen des Europäischen Parlaments, wie sie in einem vor Weihnachten verabschiedeten Bericht festgehalten sind. Der gegenseitige Beistand und die Zusammenarbeit in Rüstungsfragen wird in die verstärkte Zusammenarbeit überführt werden. Dies ist ein Kernpunkt, denn in dieser verstärkten Zusammenarbeit werden sich die Nato-Mitglieder der EU finden, die anderen aber, wie Österreich, müssen leider draußen bleiben . . . Dies kann nicht im langfristigen Sicherheitsinteresse unseres Landes sein. Da sich Sozialdemokraten und Grüne in einer Sinnkrise befinden, klammern sie sich an den Anti-Nato- und Pro-Neutralitäts-Reflex wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Es ist zu hoffen, dass der spanische Sozialdemokrat und Hohe Vertreter der europäischen Außenpolitik, Xavier Solana, anlässlich seines Besuchs in Österreich, bei dem er keine Scheu hat, auch den der FPÖ angehörenden Verteidigungsminister zu treffen, seinen eigenen Parteifreunden klar macht, dass sie nicht nur an der Realität vorbeigehen, sondern auch daran arbeiten müssten, die Gefahr abzuwenden, dass Österreich in Zukunft weniger Schutz und Beistand erhalten könnte als ein Nato-Land. Sinnvoller wäre es, so wie die Schweden und Finnen den Begriff Neutralität ad acta zu legen und Österreich als "bündnisfrei" zu definieren. Ein Beitritt zur Nato müsste meiner Meinung nach natürlich mit einer Umwandlung des österreichischen Bundesheeres in ein Berufsheer verbunden sein und der Freiwilligkeit unterliegen. Für Volksbefragung Innerhalb der EU ist die Debatte um die Ausgestaltung einer Europäischen Verteidigungsunion noch lange nicht abgeschlossen. Die Franzosen haben hier eine andere Vorstellung als die Briten, die auf jeden Fall einer Schwächung der Nato und der transatlantischen Achse entgegentreten. Wir müssen aber in dieser Frage der zukünftigen Gestaltung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion in unserem ureigensten Interesse eine aktive Rolle spielen und dürfen nicht an den Rand der EU gedrängt werden. Ich glaube auch, dass die Österreicher, wenn man eine ehrliche Debatte führt, diese Argumentation verstehen. Ich persönlich habe daher auch keine Bedenken gegen eine Volksbefragung. Ursula Stenzel ist Delegationsleiterin der ÖVP im Europäischen Parlament und Mitglied des außenpolitischen Ausschusses sowie der Kontaktgruppe EP-Nato.