Darmstadt - Die soziale Herkunft ist für die Karriere wichtiger als alle Zeugnisse. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität Darmstadt. Der Soziologe und Elitenforscher Prof. Michael Hartmann verglich dafür die beruflichen Laufbahnen von 6.500 promovierten Akademikern. Das Ergebnis: Die Familie verschafft künftigen Führungskräften einen uneinholbaren Vorsprung. Und die Chancen für Mittelstandskinder werden immer schlechter. Für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft getragene Projekt wertete die TU Darmstadt die Lebensläufe sämtlicher Studenten aus, die in den Jahren 1955, 1965, 1975 und 1985 in Jura, Wirtschaftswissenschaften und Ingenieurswesen einen Doktortitel erwarben. Das Ergebnis warf ein schlechtes Licht auf den so genannten Bildungsabschluss. Denn harte Fakten wie die Geschwindigkeit des Studiums oder die Qualität des Abschlusses zählen wenig gegen die "Soft-Faktoren" aus der Biografie. "Der wirklich maßgebende Erfolgsfaktor war die soziale Herkunft", betont Hartmann. "Entscheidend ist Auftreten, Habitus, und Souveränität." Dass die bessere Laufbahn auf einer simplen "Bevorzugung" von Familienmitgliedern oder Bekannten beruht, glaubt Hartmann nicht. In seinen Interviews mit Personalentscheidern hörte er eines immer wieder: "Entscheidend ist das Auftreten, der Habitus, eine natürliche Souveränität." Fähigkeiten, die man dem Soziologen zufolge einzig im Elternhaus mitbekommt und später nicht mehr erwerben kann. "Natürlich kann man Geschmack oder Umgangsformen erlernen, aber nicht das Selbstverständliche daran", sagt er. "Spätestens, wenn eine unvorhergesehene Situation auftritt, patzt man." "Souveränität ist nicht nur vererbbar" Mit einem "Ja, aber" bewertet der Personalfachmann Rolf Pfeiffer, bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little zuständig für "Human Ressources", das Ergebnis der Studie. Die Theorie von der "natürlichen Souveränität" hält er für "eine Tatsache". Nicht aber, dass man diese Fähigkeiten später nicht mehr lernen kann. Dennoch schätzt er seine persönliche Trefferquote auf 80 Prozent, wenn er bei Bewerbern die soziale Herkunft erraten müsste. Dass Beziehungen bei der Auswahl eine Rolle spielen, schließt er aus: "Das Unternehmen hätte innerhalb kürzester Zeit ein großes Glaubwürdigkeitsproblem." Führungskräfte aus Eliteschicht Einer älteren Studie zufolge kommen mehr als vier Fünftel aller Führungskräfte in der Wirtschaft aus einer Schicht, der nur drei Prozent der Gesellschaft angehören. Innerhalb dieser Gruppe haben wiederum Angehörige "der oberen fünf Promille" die besten Chancen. Dazu zählen Söhne von Inhabern großer Unternehmen, Vorstandsvorsitzenden, Staatssekretären oder Gerichtspräsidenten. Uni-Karrieren Bei Hochschulkarrieren wirkt das Prinzip interessanterweiser genau anders herum: "Promovierte aus der Normalbevölkerung werden mit höherer Wahrscheinlichkeit Professor", sagt Hartmann. Vermutlich, weil sozial höher gestellte Personen die freie Wirtschaft attraktiver finden. In der Politik finden sich übrigens die wenigsten Promovierten. Immer weniger Kamin-Karrieren Im Langzeitvergleich zeigte sich, dass die Chancen auf einen Doktortitel für Studenten aus niedrigeren sozialen Schichten sinken. So genannte "Kamin-Karrieren", bei denen man durch Fachkenntnis immer weiter aufsteigen konnte, gibt es immer weniger, sagt der Soziologe. "Die Anforderungen haben sich geändert", erklärt er. Fachwissen werde weniger wichtig, Management-Fähigkeiten immer entscheidender. Und gerade hier hätten Menschen "mit Familie" das meiste voraus. Ausschlusskriterium "Frau" Noch stärker als die nicht vorhandenen familiären Pluspunkte senkt indes ein anderes "Ausschlusskriterium" die Karriere-Chancen: das Geschlecht. Nur 4,2 Prozent aller Promovierten der vier untersuchten Jahrgänge waren weiblich, der Weg in die Vorstandsetage blieb ihnen fast ausnahmslos versperrt. Wer sich als Frau dennoch durchsetzen konnte, profitierte auf andere Weise von der Familie - durch Beziehungen. (Von Sandra Trauner/dpa)