Gülzow/Mecklenburg - Den Forschern der Pflanzenzüchtung GmbH Gülzow im mecklenburgischen Landkreis Güstrow ist ein landwirtschaftlicher Durchbruch gelungen: Sie entwickelten eine neue Hybrid-Roggensorte, bei der sich die chemische Keule gegen den giftigen Mutterkornpilz, Mehltau und Braunrost erübrigt. Dabei wurde das entscheidende Zuchtmaterial für die pilzresistente Getreidesorte ohne jegliche Genmanipulation gewonnen. Die Botaniker Gudrun und Gilbert Melz griffen auf eine bereits 1962 von der DDR-Züchtergemeinschaft entdeckte sterile männliche Roggenlinie zurück. Diese war 1988 nicht mehr weiter entwickelt worden, weil daraus angeblich kein stabiles Zuchtmaterial für das wichtigste Brotgetreide in unseren Breiten zu gewinnen war. Das Gülzower Züchter-Duo wagte jedoch 1996 einen Neuanfang und hatte Erfolg. Neuling wird vermehrt Die neu entwickelte männlich-sterile Linie "Gülzower1" liefert - gekreuzt mit der von der Firma Danko Seed in Polen erzeugten so genannten Restorerlinie "Valet" - die gegen Pilzkrankheiten weitgehend resistente Roggensorte "Novus". Diese wird jetzt deutschlandweit auf den Standorten der Firma Kruse Saaten Münster kultiviert. Nachdem "Novus" bei der Zulassung im Jahr 2000 als Saatgut naturgemäß nur im geringen Maße zur Verfügung stehen konnte und der Markt-Nachfrage noch nicht gerecht wurde, wird der Neuling inzwischen für eine Anbaufläche von etwa 10.000 Hektar vermehrt, wie Gilbert Melz berichtet. Für ihren Zuchterfolg erhielten die Gülzower Forscher im vergangenen Jahr von der Deutschen Bank gestifteten Landes-Technologiepreis. Das hat beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zwischenzeitlich erheblichen Protest ausgelöst, da auf Grund falscher Recherchen von einer Genmanipulation bei "Novus" ausgegangen wurde. "Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir die Naturschützer überzeugt hatten, dass es sich um traditionelle Züchtungsmethoden handelte", erinnert sich Gilbert Melz. Blendende Perspektiven Inzwischen hat der BUND eingeräumt, dass die Gülzower den Preis zu Recht verdienen, weil ohne die Risiken der Genmanipulation resistente Pflanzen gezüchtet wurden, "die keiner giftigen Spritzmittel bedürfen". Damit werden wertvoller Boden und das Grundwasser geschont, wie BUND-Sprecherin Corinna Cwielag unterstreicht. Sie spricht sich auch für einen umfangreichen Anbau der neuen Roggensorte aus. Angesichts der infolge der BSE-Krise neu entfachten Diskussion über verstärkte Förderung der ökologischen Landwirtschaft werden züchterischen Innovationen wie "Novus" von Agrarexperten, Umwelt- und Verbraucherschützern blendende Perspektiven eingeräumt. Die bei "Novus" angewandte Hybridzüchtung ist eine bewährte Methode, bei der im Gegensatz zur normalen Population genetisch verschiedene Eltern einer Pflanzenart gekreuzt werden und so der Ertrag steigernde "Hybrideffekt" zum Tragen kommt. Infolge der bisher verwendeten männlich-sterilen Linie kommt es bei diesem Verfahren allerdings zu einer verminderten Pollenbildung, wodurch unter anderem Pilzen der Infektionsweg geöffnet und ihre seuchenhafte Verbreitung ermöglicht wird. Auf herkömmlichem züchterischen Wege sorgten die Gülzower mit einer neuen Linie jedoch dafür, dass die Hybridsorte "Novus" wieder die für Roggen typischen Pollenwolken produziert und somit den Pilzen der Infektionsweg versperrt wird. Der Pilzbefall geht damit drastisch zurück, während der positive Hybrideffekt hinsichtlich des Ertrags erhalten bleibt. (APA/AP)