Wien - Die Liebe des Bürgers zu seinem Auto - meint Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) - geht tiefer als sein Interesse "an der Fortbewegung von einem Ort zum anderen". Ein psychologisches, ein männliches Phänomen wie die "Lust an Geschwindigkeit" auch. Mit ein Grund, dass Diskussionen über Geschwindigkeitsbegrenzungen, Punkteführerschein und Führerscheinentzug "oft nicht sachlich" geführt würden. Ein Fehler, sagt Strasser - und wird auf dem "Podium Straßenverkehr" im Rahmen der STANDARD-Verkehrsenquete dann selbst etwas emotional. Ein Absenken der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten auf 100 km/h (Autobahnen) und 80 km/h (Bundesstraßen) - wie es der britische Verkehrssicherheitsprogrammexperte Robert Gifford vorher vorgeschlagen hatte - sei "zu breit gegriffen". Zumal "auf der leeren A1 gegen 22 Uhr zwischen St. Pölten und Linz - ein Unsinn!". Applaus im vollbesetzten Großen Saal des maurisch anmutenden Wiener Palais Ferstel. Verkehrspolitisch Interessierte scheuen - so scheint's - strengere Verkehrsregeln ebenso wie die Politiker. Wichtig sei vielmehr, dass die herrschenden Bestimmungen "durchgeführt und kontrolliert" würden, erläutert denn auch Verkehrsministerin Monika Forstinger (FPÖ). Verkehrssicherheit, ernst genommen, setze "eine Fülle von Maßnahmen" voraus. Ein entsprechendes Sicherheitspaket werde "bis Ende 2001" ausgearbeitet sein. Auch hier: Applaus. Gegen Drogenlenker Damit ist unter anderem gemeint: Novellen zur Straßenverkehrsordnung, um effizienter gegen Drogenmissbrauch am Steuer vorzugehen. Oder um Gurtenmuffel mit 300 Schilling (21,80 ) statt bis dato 100 zu bestrafen. Den Punkteführerschein lehnt die FP-Politikerin ab: "Nicht durchsetzbar", entgegnet sie auf die entsprechende Frage des Moderators, STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl. Ihr Regierungskollege Strasser sieht die Sache nicht ganz so streng. Doch: "Der Punkteführerschein wäre mit erheblichem Mehraufwand in der Verwaltung verbunden. Die Frage ist: Wie kann man hier ein selbstregulierendes System einführen?" Forstinger indes setzt auf "Bewusstseinsarbeit". Nach dem Vorbild der "guten, weil doppeldeutigen" Slogans: "Sie fahren mit Abstand am Besten." Davon sei die Mehrheit der Autofahrer eindeutig überzeugt, gab der Geschäftsführer des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Othmar Thann, zu Bedenken; ein Umstand, der die Verkehrssicherheitsdiskussion nicht einfacher mache. Realisierbar, weil laut Umfragen für eine Mehrheit akzeptabel, seien Maßnahmen wie "die Herabsetzung der Straftoleranz: Raser auf Autobahnen werden erst ab rund 160 Stundenkilometer belangt". Auch eine "Erhöhung der Strafen bei den Organmandaten" hält Thann für sinnvoll. Diese sollten außerdem "direkt bezahlt" werden müssen, wegen der "erzieherischen Nebeneffekte". Und der dadurch erzielten Verwaltungsvereinfachung: "Zwei Fliegen auf einen Schlag." Tretminen am Volant Im Grunde, so Othmar Thann, gehe es darum, jene Minderheit von 0,26 Prozent Rasern ausfindig zu machen, die "eine Mehrheit disziplinierter Autofahrer" gefährde. Wahre "Tretminen" seien diese Wiederholungstäter, die ohne "Bewährungsmodell beim Führerscheinentzug" derzeit schwer dingfest gemacht werden könnten. Eine Ermittlungsarbeit, bei der, laut Gerd Sammer vom Institut für Verkehrswesen an der Uni für Bodenkultur, auch "die Mittel der modernen Telematik" helfen könnten. Neben Gesetzesadaptierungen, Schwerpunktaktionen und Bewusstseinsarbeit: "Nur wenn wir hier Synergieeffekte nutzen, können wir kosteneffizient arbeiten." Im Grunde gehe es darum, "an der Forderung nach niedrigeren Höchstgeschwindigkeiten festzuhalten", meint Sammer. Mittelfristig, wegen der derzeit fehlenden Akzeptanz. Und darum, Respekt vor anderen Formen der Fortbewegung jenseits des Autoverkehrs einzufordern. Fußgänger und Radfahrer nämlich, sie würden allzu oft vergessen, kritisierte etwa der Verkehrsplaner der TU Wien, Hermann Knoflacher: ein Problem, das während der Publikumsdiskussion die Verkehrs-und Umweltpsychologin Lilo Schmidt einbrachte. Als sie das Wort ergriff, sank der Aufmerksamkeitspegel im Saal. (Irene Brickner; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.1.2001)