"Im Bereich der Opfer haben wir etwas wirklich Positives erreicht." Dies ist wohl der Schlüsselsatz und somit der Maßstab, um das in der Nacht auf Donnerstag ausverhandelte österreichische Paket zur Arisierungsentschädigung zu beurteilen. Er stammt vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant. Österreich, das die Opfer der Nazizeit so lange vergessen hat, löst spät, für viele zu spät, seine Schuldigkeit ein. Viele Opfer sind heute tot. Entschädigung, die letztendlich stets nur ein symbolischer Akt sein kann, ist für sie nicht mehr möglich. Daher ist auch das Verlangen Muzicants nach einer Entschuldigung der offiziellen Vertreter Österreichs für die jahrzehntelangen Verzögerung bei der Entschädigungsfrage durchaus angebracht. Erklärung als Geste der Verneigung Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat dies bereits namens der Regierung abgelehnt, was bedauerlich ist. Es ist zu hoffen, dass sich der Nationalrat zu einer entsprechenden Erklärung aller vier Parteien entschließt. Als Geste der Verneigung vor den Toten. Insgesamt aber haben der Bundeskanzler und sein Kabinett sowohl bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter des Naziterrors als auch bei den Opfern der Arisierung sehr gute Arbeit geleistet. Gelungen ist dies nicht zuletzt durch die Berufung von Maria Schaumayer und Ernst Sucharipa. Die Regierungsbeauftragte für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und der Sonderbotschafter für das Restitutionspaket haben hervorragende Arbeit geleistet. Wesentlichen Anteil am Gelingen hat überdies US-Chefverhandler Stuart Eizenstat. Er hat im besten Sinn des Wortes die Verhandlungen moderiert und, falls es nötig war, mit sanftem Druck dirigiert. Bei der letzten Gesprächsrunde für das Restitutionspaket ist er zwischen den Verhandlungsteams hin- und hergependelt und hat seine Fähigkeiten als kluger Mediator ausgespielt. Denn bei so manchem Verhandlungsteilnehmer sind die Nerven blank gelegen, was angesichts der Tatsache, dass von Regierungsseite sozusagen in letzter Minute noch ein neues Papier vorgelegt wurde, das innerhalb von wenigen Stunden genau beurteilt werden musste, kein Wunder ist. Termindruck verschärft Der Termindruck wurde durch den Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten zusätzlich verschärft. Jedem in den Verhandlungsteams war bewusst, dass mit dem Ausscheiden Eizenstats die Verabschiedung des Restitutionspakets in weite Ferne rücken könnte. Die ohnedies schwierig zu lösenden Fragen wären noch komplexer geworden, die noch vorhandenen offenen Fragen, die durchaus keine Kleinigkeiten sind, nicht leichter zu lösen gewesen. Nach wie vor unklar ist nämlich, wie das Geld für die Entschädigung der Arisierungsopfer tatsächlich aufgebracht wird. Der Bundeskanzler spricht zwar von schriftlichen Zusagen, aber fixe Namen, Ziffern und weitere nicht unwesentliche Details sind nicht bekannt. Lediglich die Wirtschaftskammer und die heimische Versicherungsbranche haben konkrete Zahlen genannt, die allerdings bei weitem nicht reichen. Aus dem noch offenen Bankensektor gibt es überhaupt nur eine erste Grundsatzerklärung. Unklarheiten bleiben Unklarheiten im Vertrag gibt es auch über das Arisierungsvermögen in öffentlicher Hand. Hier könnte es noch zu zahlreichen ziemlich unerfreulichen Debatten kommen. Sowohl der zurzeit amtierende Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Jörg Haider, als auch Städtebundchef Erich Pramböck haben schon darauf hingewiesen, dass sie nicht in die Verhandlungen eingebunden waren. Sie wollen sich erst von Schüssel im Detail informieren lassen. An so genannten Details haben sich aber bekanntlich schon außerordentlich viele unerfreuliche Streitereien entzündet. Es ist zu hoffen, dass sie das positive Gesamtbild nicht beeinträchtigen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 19. 1. 2001)