Wien - Geplant hatte die SPÖ die Sondersitzung des Nationalrates als Abrechnung mit der ungerechten Belastungspolitik der Regierung. Vorgezeichnet hatte sie eine Dramaturgie, die sie als kompetente Oppositionspartei im Dienste des kleinen Steuerzahlers dargestellt hätte. Daraus wurde eine veritable Blamage, die ÖVP und FPÖ weidlich ausnützen. Denn statt der Argumentation ihres Dringlichen Antrages zu folgen, der eine Steuerentlastung durch Erhöhung des Arbeitnehmerabsetz- und Pensionsabsetzbetrages forderte, formulierte der SP-Klub letztendlich genau das Gegenteil: "Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, das den Lohnpflichtigen im Zuge der Überkonsolidierung weggenommene Einkommen durch eine Senkung des Arbeitnehmer- und Pensionistenabsetzbetrages um 3500 Schilling zurückzugeben." Das Geschenk ließen sich ÖVP und FPÖ nicht entgehen. Bereits im Vorfeld hatte die ÖVP versucht, eine Debatte um den Suchtgiftmissbrauch in der durch die TV-Übertragung besonders öffentlichkeitswirksamen Sitzung unterzubringen. Zunächst vergeblich. Als dann aber in einer Stehpräsidiale darüber beraten wurde, ob nun im SP-Antrag der "Schreibfehler" korrigiert oder die SPÖ zur Zurückziehung oder Niederstimmung des eigenen Antrages angehalten werden sollte, wurde die Sitzung mit einem eindeutig die Regierungskoalition als Sieger ausweisenden Kompromiss fortgesetzt: Die SPÖ durfte den korrigierten Antrag einbringen, musste jedoch die Debatte über die Drogenpolitik hinnehmen, die sie verhindern wollte. Westenthaler freut sich Eine Debatte, in der besonders FP-Klubobmann Peter Westenthaler Spott und Häme kübelweise über die SPÖ ausschüttete. In der Sache selbst eher extemporierend - wie auch sein VP-Vorredner Erwin Rasinger - freute sich Westenthaler diebisch über den missglückten Start der SPÖ in das neue Parlamentsjahr und wünschte sich, Parteichef Alfred Gusenbauer und Klubobmann Peter Kostelka mögen dem Hohen Haus "noch recht lange" erhalten bleiben. Mit der Last eines einzigartigen Fauxpas auf den Schultern suchte Gusenbauer, aus einem verlorenen Spiel wenigstens rhetorisch das Beste herauszuholen. Er rechnete Finanzminister Karl-Heinz Grasser penibel die beschlossenen Belastungen für alle Einkommensschichten vor und beschuldigte ihn, den Eindruck zu erwecken, als sei Österreich am Rande des Bankrotts: "Dabei hat beispielsweise Sozialminister Haupt angekündigt, dass zehn Milliarden Schilling für sein Kindergeld vorhanden sind." Diese Summe werde offenbar über das für 2002 angekündigte Nulldefizit hinaus eingenommen. Grasser antwortete nicht unerwartet. Ihm sei rätselhaft, wie man in einem vierzeiligen Antrag statt einer Steuersenkung von 20 Milliarden eine Erhöhung von 15 Milliarden Schilling verlangen könne: "Weil nur Sie diese Kunst beherrschen, ist es besser, dass Sie bleiben, wo Sie sind: in der Opposition." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 1. 2001)