Streaming & TV
EM.TV verhandelt mit Bank über Formel Eins
"Derzeit keine Verhandlungen außer mit Kirch"
Die EM.TV & Merchandising AG
verhandelt nach Angaben aus Branchenkreisen mit einem zweiten
Interessenten über einen vollständigen Verkauf ihrer
Formel-Eins-Anteile und sucht damit einen alternativen Weg zur
Rettung des Unternehmens. Vertreter von EM.TV hätten
darüber am Donnerstag in Genf mit einer kleineren britischen
Investmentbank gesprochen, hieß es in den Branchenkreisen. Die
Bank sei bereit, dem Vorschlag von EM.TV zu folgen, deren 50
Prozent an der Formel-Eins-Holding SLEC für etwa ein Drittel der
3,5 Milliarden DM zu kaufen, die EM.TV-Chef Thomas Haffa dafür
im Frühjahr 2000 bezahlt hatte. Ein EM.TV-Sprecher sagte, es
liefen derzeit keine Verhandlungen außer mit Kirch. Der
Kursgewinn der Aktie von EM.TV schmolz anschließend deutlich
zusammen.
EM.TV sei in akuten Finanznöten und deshalb bereit, seine
Anteile deutlich unter dem Kaufpreis abzugeben, hieß es in den
Kreisen. Ein Teil davon solle nach dem Plan der Unterhändler an
Formel-Eins-Organisator Bernie Ecclestone weitergereicht werden,
der damit für den Verzicht auf seine Verkaufsoption für weitere
25 Prozent der SLEC entschädigt werde. Der 70-jährige Brite hat
das Recht, von Mai 2001 an ein Viertel seiner Holding an EM.TV
für einen fest geschriebenen Betrag von knapp einer Milliarde
Dollar (über zwei Milliarden DM) abzustoßen. Den Rest wolle die
Bank so lange halten, bis die Rennsportserie wie geplant an die
Börse gebracht werden soll, hieß es in den Kreisen weiter.
An den Gesprächen hätten der EM.TV-Aufsichtsratsvorsitzende
Nickolaus Becker und der Münchener Filmkaufmann Herbert Kloiber
teilgenommen, an dessen Gesellschaft Tele München (TMG) EM.TV
mit 45 Prozent beteiligt ist, hieß es in den Kreisen am Freitag
weiter. Thomas Haffa selbst war den Angaben zufolge daran nicht
beteiligt. Ein internationales Finanzkonsortium, das die Anteile
übernehmen wolle und von dem die "Financial Times Deutschland"
am Freitag berichtet, gebe es nicht. EM.TV hatte Anfang Dezember
seine Gewinnerwartungen für das Jahr 2000 von 525 Millionen DM
auf ein Ergebnis von 50 Millionen DM vor Steuern und Zinsen
(Ebit) zurückgeschraubt.
Gleichzeitig nahm das Merchandising- und Filmunternehmen
Gespräche mit der Kirch-Gruppe mit dem Ziel auf, dass sich der
Medienkonzern mit bis zu 16,74 Prozent der Anteile und gut 25
Prozent der Stimmen an EM.TV beteilige. Zudem will Kirch knapp
die Hälfte der EM.TV-Beteiligung an der SLEC für 550 Millionen
Dollar (1,1 Milliarden DM) übernehmen. Das Unternehmen brauche
einen "starken Partner", sagte Haffa damals. Darüber sollte bis
Ende Januar exklusiv mit Kirch verhandelt werden, gleichzeitig
läuft derzeit eine eingehende Unternehmensprüfung bei EM.TV.
Ein
EM.TV-Sprecher sagte zu den Angaben aus den Kreisen lediglich,
das Unternehmen halte sich an die Ausschließlichkeitsklausel,
fügte aber erneut hinzu: "Wir können niemanden daran hindern,
uns ein alternatives Angebot zu machen."
Die "FTD" hatte am Freitag berichtet, EM.TV wolle Kirch mit
dem Gegenangebot unter Zugzwang setzen. Unterhändler von EM.TV
hätten sich am Mittwoch mit Vertretern der "Bambino-Stiftung"
getroffen, die juristischer Eigentümer der Formel Eins sei, und
seien sich "in weiten Schritten näher" gekommen, hieß es unter
Berufung auf Aussagen eines Beteiligten. Kirch-Geschäftsführer
Dieter Hahn habe in London gleichzeitig mit Ecclestone selbst
gesprochen, um diesem zu verdeutlichen, wie wichtig dieser in
den Verhandlungen um EM.TV sei. Ecclestone sei jedoch über die
Aussicht, mit Kirch künftig einen seien Großkunden zugleich als
Gesellschafter zu haben, nicht begeistert, berichtete das Blatt
unter Berufung auf Branchenkenner.
Die Fernsehübertragungsrechte an der Rennsportserie liegen
für das Bezahlfernsehen in Deutschland derzeit beim Kirch-Sender
"Premiere World" und für das frei empfangbare Fernsehen bis 2003
bei RTL. Ein Kirch-Sprecher erklärte zu dem Zeitungsbericht, der
Konzern stehe unter keinem Druck. "Durch solche Gerüchte ist die
Kirch-Gruppe sicher nicht unter Zugzwang zu setzen", sagte er.
Kirch selbst nach Informationen aus Verhandlungskreisen bereits
Anfang der Woche mit einem Abbruch der Gespräche gedroht.
Der EM.TV-Kurs, der zu Handelsbeginn am Neuen Markt um mehr
als 60 Prozent angezogen hatte, bröckelte nach der Nachricht
wieder ab, notierte am Nachmittag aber mit 8,06 Euro immer noch
um 27 Prozent über der Schlussnotierung von Donnerstag. Anfang
Januar hatten die Titel für 4,03 Euro den Besitzer gewechselt.
Analysten bezeichneten die Angaben über das Alternativangebot
als "plausibel". Die Formel Eins sei ein begehrtes Objekt. Ein
Branchenanalyst von Merrill Lynch sagte, im derzeitigen Kurs der
Aktie spiegele auch der Vertrauensverlust in das Management von
EM.TV wieder. Der Wert der einzelnen Geschäftsbereiche von EM.TV
zusammen liege für den Fall einer Zerschlagung bei zehn Euro je
Aktie. (Reuters)