Wien - Nach mehr als zehn Jahren verschwindet mit Ablauf des Freitag (19. Jänner 2001) die Aktie des traditionsreichen Backwarenunternehmens Ankerbrot von der Wiener Börse. Es gab nur mehr geringen Streubesitz - zu wenig, um die Zulassungsvoraussetzungen weiter zu erfüllen. Börsenotiert waren nur Vorzugsaktien, die Stammaktien der weiter sanierungsbedürftigen Großbäckerei hatten nie notiert.
Den Streubesitzaktionären (zuletzt 9 Prozent) wurde kein Abfindungsangebot gemacht. Wer jetzt, wo es keinen "Markt" mehr für Ankerbrot-Aktien gibt, als Privater seine Vorzüge veräußern will, kann sich entweder an seine Bank wenden oder, wie Ankerbrot-Rechtsanwalt Kurt Berger in solchen Fällen empfiehlt, an Ankerbrot schreiben, die dann einen Käufer vermitteln wird. Zum Beispiel den Hauptaktionär Müller Brot. Ankerbrot selbst darf keine eigenen Aktien zurück kaufen. Das Grundkapital beläuft sich auf 100 Mill. S.
Nostalgie
Wer bis jetzt nicht verkaufte, hat in den Augen der Anker-Vertreter das bis auf weiteres auch gar nicht vor. Was den verbliebenen Streubesitz betrifft, so wollten "die meisten davon sogar Aktionäre bleiben, weiter in einem österreichischen Traditionsunternehmen investiert sein", weiß Berger auch von nostalgischen Beweggründen. Selbst in den letzten Tagen hätten Private von einander Aktien gekauft. Dass es keinen Börsekurs mehr gebe, sei vielen egal, jetzt laufe es eben wie beim Kauf oder Verkauf eines Gebrauchtwagens ab. Hohe Kursgewinne waren, wie berichtet, bei der "Brot-Aktie" ohnedies rar. Der Kurs lag gestern, Donnerstag, bei nur 2,2 Euro, im Vorjahr hatte es ein Jahreshoch bei 28 Euro gegeben.
Ankerbrot notierte zuletzt im C-Segment. An die Börse gegangen war die einst größte Bäckerei Europas am 18. Juni 1990 mit Inhaber-Vorzugsaktien, damals gab Alleineigentümer Helmut Schuster ein erstes Aktienpaket ab.
Wiederholte Turbulenzen
Die 1891 als Wienerbrot- und Gebäckfabrik gegründete Ankerbrot-Gruppe war in ihrer langen Geschichte wiederholt in Turbulenzen geraten, dem Unternehmer Schuster, der die Brotfabrik Anfang der 80er Jahre kaufte, gelang der Börsegang und eine erste Ostexpansion, Mitte der 90er Jahre wurde es für Ankerbrot aber brenzlig: Die unglückliche Übernahme des Sanierungsfalls Ährenstolz (vom insolventen Konsum) färbte ab 1996 die Konzernbilanz tief rot, machte Ankerbrot zweimal selber zum Sanierungsfall.
Seit 1997 ist Ankerbrot in bayerischer Hand. Der Anfang 1996 zunächst minderheitlich eingestiegene deutsche Backwarenbetrieb Müller Brot übernahm schrittweise die Mehrheit, hält heute - über zwei Gesellschaften - die Ankerbrot AG praktisch vollständig in der Hand - bis auf die wenigen Prozent Vorzugskapital, die als Streubesitz verblieben. Nach den letzten Schritten im Müller-Deal - u.a. der im Dezember erfolgten Übernahme der letzten Schuster-Anteile - waren die Zulassungsvoraussetzungen für eine Börsenotiz von Ankerbrot weggefallen. Der Streubesitz-Anteil war auf weniger als 10.000 Aktien gesunken. Für die aktuell laufende Sanierung des Unternehmens mit rund 2.800 Beschäftigten (Stand Ende 1999) sind noch weitere zwei Jahre anberaumt. Schwarze Zahlen soll es erstmals wieder 2002 geben. (APA)