Santiago de Chile - Der chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet hat eine persönliche Verantwortung für Menschenrechtsverbrechen unter seiner Diktatur abgestritten. Er habe keine Tötungen angeordnet, sagte Pinochet laut dem chilenischen Radiosender Bio Bio bei seiner Vernehmung durch Richter Juan Guzman Tapia am Dienstag zu den Verbrechen der sogenannten "Todeskarawane". Der Chef der chilenischen Geheimpolizei während der Militärdiktatur, Ex-General Manuel Contreras, ist unterdessen nach Verbüßung einer siebenjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Guzman wirft Pinochet vor, "geistiger Urheber" der als "Todeskarawane" bezeichneten Hinrichtungskommandos zu sein, die einen Monat nach Pinochets Militärputsch im September 1973 in ganz Chile Oppositionelle ermordeten. Anwälte der Opfer der Todeskarawane wollten noch am Mittwoch den Erlass eines Haftbefehls gegen Pinochet beantragen. Nach wochenlangem juristischen Tauziehen hatte Guzman den greisen Ex-Gewaltherrscher erstmals verhört. Der Sonderermittler selbst äußerte sich nicht zu dem Ergebnis der rund zweistündigen Befragung. Pinochet leugnet "Ich habe von niemandem die Ermordung angeordnet", sagte Pinochet laut Radio Bio Bio während seines Verhörs. Der Sender bezog sich dabei auf "absolut zuverlässige" Quellen, die er nicht nennen wollte. Die gewöhnlich gut informierte Internetzeitung "El Mostrador" berichtete ergänzend, Pinochet habe im Zusammenhang mit der "Todeskarawane" 15 Fragen Guzmans beantwortet. Pinochet hatte bereits früher die Verantwortung für die Hinrichtungen dem Kommandanten der Karawane, General Sergio Arellano, zugewiesen. Er selbst habe davon erst nachher erfahren. Guzman hingegen versucht nachzuweisen, dass Pinochet am Anfang der Befehlskette stand. Nach Angaben von Pinochets Sprecher Guillermo Garin dauerte die Vernehmung nur "wenige Minuten". Pinochet sei schnell ermüdet, ergänzte Garin. Die meiste Zeit sei damit verbracht worden, den tragbaren Drucker zu reparieren, den Guzman mitgebracht hatte, um das Ergebnis der Befragung auszudrucken. Guzman hielt sich rund zwei Stunden in Pinochets Haus im Stadtteil La Dehesa in der Hauptstadt Santiago auf. Das gerichtlich angeordnete Verhör war zuvor mehrmals verschoben worden. Historischer Tag "Es ist ein historischer Tag für diejenigen, die vor drei Jahren die erste Klage gegen Pinochet angestrengt haben", sagte Opferanwalt Eduardo Contreras. Der Erlass eines Haftbefehls gegen Pinochet sei nun unausweichlich, ergänzte die Juristin Carmen Hertz. Die Anwälte der Angehörigen wollten den Haftbefehl noch im Laufe des Mittwoch beantragen. Experten rechnen jedoch mit einem langen juristischen Tauziehen bei jedem der nächsten rechtlichen Schritte. "Jede Entscheidung wird vor das Berufungsgericht und dann vor den Obersten Gerichtshof gehen", sagte der Politologe Ricardo Israel. "Und das kann Monate dauern." Der chilenische Staatschef Ricardo Lagos bezeichnete die Vernehmung Pinochets als "richtig". "Er hat das getan, was alle Chilenen tun müssen, wenn ein Gericht etwas angeordnet hat", sagte Lagos. Verhanlungsfähig Unmittelbar vor dem Verhör am Dienstag hatte ein medizinischer Gutachter die Verhandlungsfähigkeit des Ex-Diktators bestätigt. Der bei einer Untersuchung attestierte Altersschwachsinn hindere den 85-Jährigen nicht daran, sich seiner juristischen Verantwortung zu stellen, sagte der Neurologe Luis Fornazzari. Nach chilenischem Recht kann ein unter Demenz leidender Angeklagter nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Unter Pinochets Diktatur wurden nach amtlichen Angaben etwa 3000 Menschen getötet. Zehntausende verschwanden spurlos oder wurden ins Exil getrieben. Die meisten Verbrechen fallen jedoch unter eine umfangreiche Amnestie und können nicht mehr geahndet werden. Gegen den früheren Diktator liegen zur Zeit mehr als 200 Strafanträge oder Klagen vor. Der 210. Antrag wurde am Dienstag im Zusammenhang mit dem Verschwinden zweier Brüder im Oktober 1973 gestellt. Contreras unter Hausarrest Der frühere Geheimdienstchef Contreras verließ laut Medienberichten in der Nacht auf Mittwoch die Haftanstalt von Punta Peuco, nördlich von Santiago de Chile, und wird wegen anderer anhängiger Verfahren unter Hausarrest gestellt. Contreras war 1993 wegen der Ermordung des früheren Außenministers Orlando Letelier und von dessen Sekretärin Ronni Moffit verurteilt worden. Der Chef der seinerzeitigen Geheimpolizei DINA hatte die Ermordung von Letelier organisiert, der unter dem demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende Anfang der siebziger Jahre zunächst das Außenministerium, dann das Innen- und das Verteidigungsministerium geleitet hatte. Letelier war nach dem blutigen Militärputsch von General Augusto Pinochet im September 1973 interniert und gefoltert worden. Letelier emigrierte in die USA, wo er am 21. September 1976 einem Bombenanschlag zum Opfer fiel. Die US-Regierung machte Contreras für den Mord verantwortlich. (APA)