Ankara/Paris - Nach dem Beschluss des französischen Parlaments, die Armenier-Verfolgung im Osmanischen Reich als Völkermord anzuerkennen, plant die Türkei Sanktionen gegen den NATO-Partner. Nach Angaben von Ministerpräsident Bülent Ecevit sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die türkische Wirtschaft nicht negativ beeinflussen, berichteten Medien am Sonntag. Der Nationale Sicherheitsrat, dem führende Politiker und die Militärspitze des Landes angehören, will diesbezüglich in Kürze unter Vorsitz von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer Beratungen übernehmen. Mehrere türkische Universitäten haben bereits den Kontakt zu französischen Partneruniversitäten eingestellt. Präsident Sezer hatte am Freitag den französischen Präsidenten Jacques Chirac aufgerufen, "Maßnahmen" zu ergreifen, um das Parlamentsvotum "unwirksam" zu machen. Die Türkei erwarte von Chirac, dass er den Verfassungsrat anrufe, um das Gesetz für ungültig erklären zu lassen. Der französische Beschluss füge den türkisch-französischen Beziehungen "schweren und dauerhaften Schaden" zu, hatte das türkische Außenministerium in einem Kommunique betont. Der Quai d'Orsay erklärte, der Text stelle "keine Beurteilung der modernen Türkei" dar. Frankreich setze sich unbeirrt für eine Annäherung zwischen der Türkei und der EU ein. Nach Erkenntnissen maßgeblicher Historiker wurden die Massendeportationen und der Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg von dem mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündeten türkischen Regime generalstabsmäßig geplant und durchgeführt. Viele Zeithistoriker verweisen auch darauf, dass der von den Jungtürken mit Innenminister Talaat Pascha und Kriegsminister Enver Pascha als Hauptverantwortlichen bürokratisch geplante und mit Wissen der Mittelmächte durchgeführte Massenmord "Vorbildwirkung" für die deutschen Nationalsozialisten hatte. Mehrere Aussprüche Adolf Hitlers in diesem Zusammenhang sind aktenkundig. Armenien hat den Beschluss des französischen Parlaments begrüßt. Mit der offiziellen Anerkennung des Genozids durch Frankreich werde die "historische Wahrheit" zur Kenntnis genommen, erklärte das Außenministerium in Eriwan. Damit würden die Voraussetzungen für ein besseres Verständnis der Vergangenheit und für "die Überwindung des schweren Erbes" geschaffen. (APA/dpa)