Wien - Nun ist es offiziell: Rudolf Streicher scheidet noch in diesem Monat vorzeitig als Chef der staatlichen Beteiligungsholding ÖIAG aus. Die ÖIAG bestätigte am Montag die "einvernehmliche Beendigung der Vorstandsfunktion von Dr. Rudolf Streicher per 31. Jänner 2001". Einem Vorschlag des Aufsichtsratspräsidiums entsprechend seien das Präsidium des Aufsichtsrats und der Vorstandsvorsitzende der ÖIAG, Generaldirektor Rudolf Streicher, übereingekommen, die Vorstandsfunktion von Streicher wegen der "unterschiedlichen strategischen Vorstellungen" einvernehmlich per 31. Jänner zu beenden, teilte die ÖIAG in einer Presseinformation mit. Gegenüber dem ORF sagte der Spitzenmanager, sein Ausscheiden erfolge nicht freiwillig: "Zwischen einvernehmlich und freiwillig ist ein riesiger Unterschied." Er, Streicher, liebe diesen Job, daher trete er auch nicht gerne ab. Formell erledigt werden solle der Rücktritt bei der ÖIAG-Aufsichtsratssitzung am 29. Jänner. Hintergrund des Abgangs waren Meinungsverschiedenheiten über den Privatisierungskurs. Verschwiegen zeigte sich Streicher am Montag über die Kosten der vorzeitigen Auflösung seines Vorstandsvertrages. In Medienberichten werden diese auf 10 und 20 Mill. S (bis 1,5 Mill. Euro) geschätzt. "Man redet nicht über persönliche Vertragsangelegenheiten, man redet auch nicht über die Verhandlungen darüber", beschied Streicher den neugierigen Interviewer im ORF-Mittagsjournal. Er wolle sich auch bei seinem Abgang "profihaft verhalten", außerdem sei mit dem Aufsichtsrat Stillschweigen vereinbart worden. Streicher wird nach Eigenangaben auch künftig "in dem einen oder anderen" Aufsichtsrat vertreten sein. Aus welchen der zwölf Aufsichtsgremien er konkret ausscheiden wird, ließ Streicher zunächst offen. In Zeitungsberichten wird über den Verbleib Streichers in den aufsichtsräten von VA Stahl, Böhler-Uddeholm und VA Tech spekuliert. ÖIAG-AR drückt stärker aufs Tempo Zwischen dem Aufsichtsrat unter Führung des Papier-Industriellen Alfred H. Heinzel und Streicher soll es zuletzt gravierende Auffassungsdifferenzen über die industriepolitische Strategie gegeben haben. Der ÖIAG-AR drücke bei der Privatisierung stärker aufs Tempo als im ÖIAG-Gesetz vorgesehen, so die "Presse" am Montag. Neben den im Regierungsbeschluss zur völligen Privatisierung frei gegebenen Unternehmen Telekom Austria, Staatsdruckerei, Print Media, P.S.K, Austria Tabak, Dorotheum und Flughafen Wien sollten auch die Post, die Airline AUA und Industriebeteiligungen unter den Hammer kommen. Das ÖIAG-Gesetz sieht den totalen Rückzug aus VA Stahl, VA-Tech und Böhler-Uddeholm jedoch erst für die nächste Legislaturperiode vor. Der Abgang von Streicher dürfte im früher traditionell "roten" Bereich der ÖIAG, bei den Österreichischen Bundesbahnen und der Post einen lebhaften Postentausch einläuten, hieß es am Wochenende in einschlägigen Kreisen. Der Aufsichtsrat habe es mit der Bestellung eines Nachfolgers für den nicht einmal eineinhalb Jahre an der ÖIAG-Spitze gestandenen Streicher jedenfalls eilig, so die Tageszeitungen "Kurier" und "Presse" übereinstimmend. Mit der Suche nach potenziellen Kandidaten sei der Münchner Headhunter Dieter Frisee beauftragt worden. Mögliche Nachfolger Als mögliche Nachfolger von Streicher wurden am Wochenende der Chef der Telekom Austria AG, Heinz Sundt, und der Vorstandsdirektor der Münchener Allianz AG, Paul Achleitner, ins Gespräch gebracht. Sundt hat einen möglichen Wechsel jedoch am Montag dementiert. Bei ÖIAG-Aufsichtsrat Achleitner vermutet die "Presse", dass er die mit einem Wechsel verbundene Gehaltseinbuße wohl kaum hinnehmen wird. Nach Streichers Abgang - der diesem mit einem zweistelligen Millionen-Schilling-Betrag "versüßt" wird - ist auch der Verbleib des ÖIAG-Finanzvorstandes Johannes Ditz offen. Laut "Presse" ist sein Rückhalt in der ÖVP nicht besonders groß. Laut "Kurier" will sich Ditz aber um den ÖIAG-Chefsessel bewerben. Klappt das nicht, könnte er, heißt es, ÖBB-Chef Helmut Draxler beerben. (APA)