Schanghai - Das Weltklima erwärmt sich nach jüngsten UN-Daten weit dramatischer als bisher angenommen. Auch gebe es mehr und bessere Beweise als je zuvor, dass der Mensch weitgehend daran schuld ist, heißt es in einem UN-Bericht des zwischenstaatlichen Gremiums für Klimaveränderungen (IPCC). Die Untersuchung von 123 führenden Forschern wurde am Montag in Schanghai veröffentlicht. 1,4 bis 5,6 Grad Die Wissenschafter erwarten eine schnellere und "potenziell katastrophale globale Erwärmung" von 1,4 bis 5,6 Grad in diesem Jahrhundert, so der Bericht, hinter dem das UN-Umweltprogramm (UNEP) und die Meteorologische Weltorganisation stehen. Bisher war nur mit einem bis 3,5 Grad (von 1990 bis 2100) gerechnet worden. Alarmglocken Der Bericht "sollte in jeder Hauptstadt und jeder lokalen Gemeinde die Alarmglocken klingeln lassen", meinte der UNEP-Direktor Klaus Töpfer. "Wir sollten kühn mit sauberen Energietechnologien voranschreiten". Töpfer warnte auch, die Welt müsse sich auf einen höheren Meeresspiegel einstellen, der bis 2100 schätzungsweise um neun bis 88 Zentimeter steigen werden. Die neuen Warnungen folgten nur zwei Monate nachdem in Den Haag der Klimagipfel über die Reduzierung der Treibhausgase ergebnislos vertagt wurde. Die 123 Wissenschaftler haben den neuen, 1.000 Seiten umfassenden Bericht - unterstützt von 516 beitragenden Autoren - in mehr als drei Jahre erstellt. Er wurde auf einem Treffen von 150 Delegierten von 100 Regierungen in Schanghai veröffentlicht. Schon vor der Klimakonferenz waren einzelne Daten daraus bekannt geworden. 90 er Jahre waren das wärmste Jahrzehnt "Es gibt neue und bessere Beweise, dass der größte Teil der Erwärmung, die in den vergangenen 50 Jahren beobachtet wurde, menschlichen Aktivitäten zuzuschreiben ist", stellt der Bericht fest. Die neunziger Jahre seien sehr wahrscheinlich das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1861 gewesen. Neue Analysen von Baumringen, Eiskernen, Korallen und historischen Aufzeichnungen hätten gezeigt, dass auch die Erwärmung im gerade zu Ende gegangenen Jahrhundert wahrscheinlich die höchste in den vergangenen 1 000 Jahren gewesen sei. Höchst wahrscheinlich sei die Schneedecke seit den späten sechziger Jahren um zehn Prozent zurückgegangen. Nach einer im Oktober veröffentlichen Studie des Schweizer Nationalfonds wird sich in dem Land schon bei einem Temperaturanstieg von ein bis zwei Grad in den kommenden fünfzig Jahren die Grenze für die Schneesicherheit von um 300 auf 1.500 Meter nach oben verschieben. Damit seien statt 195 nur noch 144 Skigebiete schneesicher. Schnee und Eis seltener Die jährliche Dauer von Eis auf Flüssen und Seen hat nach dem IPCC-Bericht im vergangenen Jahrhundert im Schnitt um zwei Wochen abgenommen. Sehr wahrscheinlich sei auch die Eisdicke im arktischen Meer im späten Sommer bis frühen Herbst in den vergangenen Jahrzehnten um etwa 40 Prozent zurückgegangen. Seit 1861 habe die Erdtemperatur um 0,6 Grad zugenommen. Die Verdunstung und der Niederschlag weltweit werde voraussichtlich steigen. Die intensive Klimaforschung und Beobachtung hätten den Wissenschaftlern ein besseres Verständnis der Ursachen und Auswirkungen der globalen Erwärmung gegeben, sagte Töpfer. Die Erkenntnisse sollten Regierungen überzeugen, konstruktive Schritte zu einer Wiederaufnahme der Klimagespräche zu machen, meinten UNO-Vertreter. Seit 1750 habe die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre um 31 Prozent auf ein Niveau zugenommen, das es in 420.000 Jahren und möglicherweise sogar in 20 Millionen Jahren nicht gegeben habe. Die künftige Erwärmung werde auch höher als bisher erwartet ausfallen, weil die Schwefeldioxidemissionen, die wiederum die Erde kühlen, niedriger als bisher geschätzt sein werden, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. (APA/dpa)