Wien - Von den Untiefen der Donau, von Durchflussgeschwindigkeiten und Querströmungen war am Montag bei der Fortsetzung des Zivilrechtsprozesses um den Untergang des slowakischen Schubschiffes Dumbier im Wiener Justizpalast die Rede. Diese beiden nautischen Parameter standen im Mittelpunkt der Aussage des Leiters der im Verkehrsministerium angesiedelten Schiffahrtspolizei, Reinhard Vorderwinkler. Das Unglück vom 22. Oktober 1996 kostete acht der neun Besatzungsmitgliedern der Dumbier das Leben. Hochwasser Die Donau führte Hochwasser, als das Schubschiff bei der Wehranlage des damals noch im Bau befindlichen Kraftwerks Freudenau sank. Die Kläger, die slowakische Reederei Slovenska Plavba a Pristavy (SPAP) und ihre englische Versicherung "The Standard Steamship Owner", werfen der Republik Österreich und der Verbund Austrian Hydro Power AG vor, der Dumbier hätte der Versuch, in die Schleuse einzufahren, wegen der hohen Fließgeschwindigkeit der Donau von vornherein verwehrt werden müssen. Vier offene Wehrtore Bisher scheint festzustehen: Die Durchflussmenge war am Unfallabend so hoch, dass alle vier Wehrtore geöffnet waren, um die Wassermassen durchzulassen. Dieser Umstand sorgte für eine Verstärkung der Querströmungen, bestätigte Vorderwinkler. Die beiden Schleusentore hingegen waren vom Betreiber der Wehranlage (damals Donaukraftwerke AG) geschlossen gehalten worden. - Obwohl Punkt 3 der Wehrbetriebsordnung vorsieht, dass ab einer Fließgeschwindigkeit von mehr als 5.800 Kubikmeter pro Sekunde auch die Schleuse freizugeben sei. Diese Grenze war zum Zeitpunkt des Unglücks überschritten. Die Schifffahrt wäre mit dem Öffnen der Schleuse automatisch eingestellt worden. Vorderwinkler hielt fest, dass Einhaltung und Umsetzung der in der Wehrbetriebsordnung festgelegten Bestimmungen in den Händen des Wehrbetreibers lagen. Die Schleusenwärter hingegen richten sich ausschließlich nach den Vorgaben der Wasserstrassenverkehrsordnung. Zweites Schiff in Schwierigkeiten Unmittelbar vor dem Untergang der Dumbier war ein zweites Schiff, das slowakische Schubschiff Liptov, bei der Schleuse in Schwierigkeiten geraten. Es konnte sich aber mit eigener Kraft in Sicherheit bringen. Die diensthabenden Polizisten hätten, so Vorderwinkler, die einzige richtige Maßnahme gesetzt, indem sie die Schleuse nicht mittels Stoppsignal für den Verkehr versperrten. Denn damit wäre dem nachfolgenden Schubschiff "der Fluchtweg" verwehrt gewesen. Bis zum Untergang der Dumbier sei es nie vorgekommen, dass die Schleuse zur Wasserabfuhr hätte herangezogen werden müssen, hielt der Ministerialrat fest. Ehemaliger Donau-Kapitän als weiterer Zeuge Eine technische Absicherung, die verhindert hätte, dass ein Schiff in der Wehrfeld geraten kann, sei nicht machbar gewesen, sagte Reinhard Vorderwinkler von der Obersten Schifffahrtsbehörde. Die Rechtsanwälte der Klägerseite stellten den Antrag, die zuständigen Abteilungen des Verkehrsministeriums mögen bekannt geben, ob und unter welchen Rahmenbedingungen bei späteren Hochwassern nach dem Unglück die Schifffahrt eingestellt worden ist. Die Wehrbetriebsordnung für das Kraftwerk Freudenau stand auch im Mittelpunkt der Fragen, die der ehemalige Donau-Kapitän Peter Steindl als Zeuge zu beantworten hatte. Im Strafverfahren um den Dumbier-Untergang war er als Sachverständiger aufgetreten. In seinem damaligen Gutachten hatte er nicht nur die formell geltende Wehrbetriebsordnung, sondern auch einen Änderungsantrag der Kraftwerksbetreiber berücksichtigt. "Es ist bei allen Donaukraftwerken üblich, dass die Wehrbetriebsordnung auf Grund von Erfahrungen aus der Praxis modifiziert wird", sagte Steindl. Sein Schluss: Die ursprünglich geltende Grenze von 5.800 Kubikmeter pro Sekunde war zum Unfallzeitpunkt stark überschritten, der im Änderungsantrag festgehaltene, höhere Wert für eine Schleusenöffnung aber nicht erreicht. Daher sei das Reglement, so der Kapitän, eingehalten worden. Der höhere Wert habe sich aus Erfahrungen mit einem Hochwasser im Mai 1996 - sechs Monate vor der Katastrophe - ergeben, erläuterte Steindl. Solche Änderungen der Parameter seien üblich und aus wirtschaftlicher Sicht durchaus im Sinne der Schifffahrt. (APA)