Berlin - Sucht man nach einem ihrer Werke, muss man in vielen Wiener Buchhandlungen fragen, bis man fündig wird. Unterdessen wird sie mit Preisen geradezu überschüttet wie kaum eine andere österreichische Autorin unserer Tage: die junge Salzburgerin Kathrin Röggla, die am Donnerstag (25.1., 19.30 Uhr) im Wiener Literaturhaus den Sacher-Masoch-Preis entgegennimmt. Preisregen Im Gespräch mit der APA gibt sie zu, dass sie in Deutschland "von der Masse her" mehr gelesen werde und dort auch bekannter sei als in Österreich. Im Oktober 1995 hatte sie den Reinhard-Priessnitz-Preis erhalten, zwei Jahre später ein Staatsstipendium für Literatur. Im November vergangenen Jahres wurde Kathrin Röggla mit dem mit 100.000 Schilling dotierten Preis der Literaturzeitschrift "kolik" für ihre "junge avancierte urbane" Literatur ausgezeichnet. Noch im selben Monat bekam sie den Sacher-Masoch-Preis zuerkannt (und damit weitere 100.000 Schilling), den sie am 25. Jänner in Wien entgegennimmt. Inzwischen hat die junge Autorin eine weitere Auszeichnung erhalten: Noch vor Weihnachten wurde sie mit dem mit mehr als 200.000 Schilling dotierten Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet, der ihr im März bei der Leipziger Buchmesse überreicht wird. Die Stifterin, die Hamburger Blue Capital GmbH, will mit dem Italo-Svevo-Preis "hervorragende Literaten unterstützen, die in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind". Röggla werde für ihren "ästhetischen Eigensinn und besonderen Sprachwitz" ausgezeichnet. Die Autorin selbst, die seit 1992 in Berlin lebt, hat keine Erklärung für den Preisregen, der sich soeben über ihr ergießt. Beim Gespräch in einem Berliner Kaffeehaus sagt die fast ein wenig unsicher wirkende junge Frau lediglich: "Es gibt Juroren, die das beschließen." Drei Bücher hat Röggla bisher geschrieben, die alle im Residenz-Verlag erschienen sind: "Niemand lacht rückwärts" (1995), "Abrauschen" (1997) und "Irres Wetter" (2000). Der Hypertext "nach mitte" ist im Internet abrufbar ( softmoderne.de ). Neben Hypertexten und Hörspielen ist Rögglas Hauptgebiet die Belletristik, Texte, die vom Überschreiten von Genregrenzen und medialer Grenzen gekennzeichnet sind. Sprachphilosophischer Ansatz Für jedes ihrer Bücher sei einE anderEr AutorIn Pate gestanden, erzählt die Autorin: Fichte, Arno Schmidt, Jelinek oder Alexander Kluge hätten sie bisher stark beeinflusst. Ihr nächstes Buch wird ein "Beinaheroman" aus drei bis vier Erzählungen sein. "Es geht um die Kultur des neuen Kapitalismus und die Widersprüche", sagt Röggla. Auch die Figuren und Schauplätze stehen bereits fest: Berlin, Südwestdeutschland und eine Mittelmeerinsel. Im Frühjahr nächsten Jahres soll dieses neueste Werk erscheinen - im Fischer-Verlag, denn Kathrin Röggla hat den Verlag gewechselt. Fischer wird auch ihre bisherigen Bücher als Taschenbücher auflegen. In einer der Preisbegründungen heißt es, Kathrin Röggla gelinge es, "- empfänglich für die Illusionen, Irritationen und Sehnsüchte ihrer Generation - den gängigen Jargon zu einem unverwechselbaren Sound zu verdichten". Speziell in ihrem letzten Buch, "Irres Wetter", liege der Fokus auf den 20- bis 40-jährigen, gibt die Autorin zu. "Es ist eine Affinität zu altersmäßig mir näher Stehenden." Die Entwicklung in ihrer Arbeit sieht sie vom sprachphilosophischen zu einem dokumentarischen Ansatz. Ihr Interesse habe sich verschoben, sie wolle zeigen, was gerade passiert - auch durch vermehrtes Zitieren von "O-Tönen". Die direkte Rede hat zugenommen in ihren Büchern. Die 'Generation Golf' gibt es nicht Doch Kathrin Röggla, die nach eigenen Angaben diszipliniert jeden Tag schreibt und für ein Buch rund zwei Jahre benötigt, zitiert nicht nur Menschen, sie zitiert auch ihre unmittelbare Umgebung, Deutschlands Hauptstadt Berlin: "Das ist eine Stadt, die sich stark in Segmenten, in Altersstrukturen bewegt." Die Sprache, die sie verwendet, ist die Sprache der Medien, der Werbung, des "Start-Up-Kosmos". "Wenn man sich anschaut, wie sich Berlin in den letzten zehn Jahren verändert hat von einer periphären Situation zu einer Stadt, die ein Zentrum sein soll, dann ist das ein politischer Prozess. Da geht es um Interessen, um Privatisierung von öffentlichen Flächen, Vertreibung von Pennern, von Randgruppen", sagt Röggla, die die massive Präsenz von Großkonzernen wie Siemens und Chrysler im neuen Stadtbild Berlins stört. So kommen auch in ihrem Buch die Gewinner und die Verlierer des wirtschaftlichen Umbruchs vor, aber auch ein wenig Kritik an ihrer eigenen Generation, die gerne mitläuft, ohne viel zu fragen. Allerdings wendet sie sich gegen die Einteilung in Gruppen: "Die 'Generation Golf', das ist eine hybride Konstruktion, die ist nicht existent." "Das Landleben wäre nichts für mich" Als eine der vielen jungen Berlin-AutorInnen sieht sich Kathrin Röggla nicht: "Wenn ich nach Paris ginge, würde ich über Paris schreiben, das hängt von der Umgebung ab." Natürlich präge sie Berlin, "ich habe eine Faszination für Räume, und Literatur ist immer mit Städten verknüpft gewesen. Das Landleben wäre nichts für mich." Mit 17 Jahren hat Röggla mit dem Schreiben begonnen, Lesungen veranstaltet, Zeitschriften publiziert. Ihr war rasch klar, in welche Richtung es gehen solle. Sie begann mit dem Germanistik- und Publizistikstudium in Salzburg, setzte es in Berlin fort. Sie wollte in einer Großstadt leben, "das ist eben im deutschsprachigen Raum Berlin". Reaktion auf Schwarz-Blau Den Kontakt zu Österreich hat Kathrin Röggla nicht abreißen lassen, regelmäßig besucht sie die Heimat: "Im letzten Jahr, nach der Regierungsbildung, habe ich mich auf Grund der politischen Situation mehr damit beschäftigt. Das war haarsträubend, was sich da ereignet hat, das prägt dann." Von Boykott halte sie allerdings überhaupt nichts, sagt Kathrin Röggla, schon gar nicht von außen her. Sie habe publizistisch mit einem Text auf die neue politische Situation reagiert, erzählt sie, sei bei den Donnerstags-Demonstrationen mitgegangen, wenn sie in Wien war - "was man halt so macht". Die Frage nach einer Veränderung im Verhältnis zu Österreich macht die Autorin ratlos: "Ich bin vielleicht in einer gespannteren, aufmerksameren Haltung dem Land gegenüber als früher." Ähnlich schwer tut sich Kathrin Röggla mit der Frage, ob sie sich als österreichische oder deutsche Autorin empfindet. Lange sieht sie in die Luft und sagt dann zögernd: "Ich bin eine österreichische Staatsbürgerin, die in Berlin schreibt." (APA)