London - Christine Keeler (57), die als Partymädchen 1963 im Zentrum des so genannten "Profumo-Skandals" stand und deren sexuelle Aktivitäten damals zum Sturz des britischen Premierministers Harold Macmillan beitrugen, erregt erneut die Öffentlichkeit. In ihren jetzt in London veröffentlichten Memoiren "The Truth At Last" (Endlich die Wahrheit) behauptet sie unter anderem, der damalige Chef der britischen Spionageabwehr MI5, Sir Roger Hollis, sei ein Spion Moskaus gewesen.
Keeler schreibt, sie habe auf Anweisung ihres Freundes Stephen Ward damals sowohl mit Kriegsminister John Profumo als auch mit dem sowjetischen Marineattache Jewgeni Iwanow geschlafen. Der Arzt Ward, der sich vor einer vollen Aufklärung der Affäre umbrachte, sei Leiter eines sowjetischen Spionagerings gewesen. Er habe sie beispielsweise beauftragt, bei Profumo zu fragen, ob und wann Deutschland Atomwaffen erhalten werde. Der verheiratete Profumo (heute 85) musste im Juni 1963 zurücktreten, nachdem er das Parlament über seine Beziehung zu Keeler und deren Verbindungen zu Iwanow belogen hatte. Im Oktober stürzte die Regierung Macmillan.
Hollis der "fünfte Mann"
In ihren Erinnerungen behauptet Keeler, Sir Roger Hollis sei der berühmte fehlende "fünfte Mann" in der Liste der britischen Sowjetspione Kim Philby, Donald Maclean, Anthony Blunt und Guy Burgess. Sie habe ihn mehrfach in Gesellschaft Wards gesehen. Gerüchte, MI5-Chef Hollis sei ein Spion gewesen, gibt es seit den 60er Jahren. Hollis war jedoch nach einer amtlichen Untersuchung von jedem Verdacht freigesprochen worden.
Keeler schreibt, der mit der Aufklärung der Profumo-Affäre beauftragte Lord Denning habe keinerlei Interesse an ihrer Schilderung des Sachverhalts gehabt. Vielmehr habe er alles getan, um sie zum Schweigen zu bringen. Für den Fall, dass sie Hollis belaste, habe er gedroht, werde sie "für sehr lange Zeit verschwinden". Bei ihrer letzten sexuellen Begegnung mit Profumo sei sie schwanger geworden, habe dieses Kind jedoch abtreiben lassen. "Ich wollte erst jetzt, da ich älter bin, über diese Schwangerschaft berichten", schreibt Keeler.
Ein Foto von Christine Keeler, das sie nackt verkehrt herum auf einem Stuhl sitzend zeigt, die Blöße von der Lehne knapp bedeckt, gehört zu den bekanntesten britischen Pressefotos der 60er Jahre. (APA/dpa)