Washington - Vor 2000 Jahren verfiel König Mithridates in Kleinasien auf einen Trick, der ihn bis heute berühmt macht: Er fürchtete Giftanschläge und bereitete sich mit der Einnahme kleiner Dosen darauf vor. Als man ihm dann die große und für gewöhnlich tödliche Dosis ins Essen mischte, überlebte er. Die moderne Molekularbiologie hält das für gar nicht so unwahrscheinlich: Der Körper hat ein chemisches Abwehrsystem gegen Gifte, das vermutlich sehr früh zum Schutz vor Stoffen entwickelt wurde, mit denen sich Pflanzen ihrerseits gegen das Gefressenwerden schützen. Wird ein Gift entdeckt, produziert die Leber ein Enzym (CYP3A), das die verschiedensten Gifte in harmlose Bestandteile zerlegt. Für die Entdeckung der Gifte ist offenbar ein einziges Protein zuständig, das Tausende verschiedene körperfremde und schädliche Stoffe detektieren kann. Darunter ist auch ein altes und zunehmend populäres Hausmittel gegen Depressionen: Johanniskraut. Seit 1999 häufen sich die Meldungen über höchst seltsame bis lebensbedrohliche Nebenwirkungen: Frauen bekamen trotz Pilleneinnahme Kinder, ein Aids-Medikament (Idinavir) verlor ebenso seine Wirkung wie Tamoxifen (gegen Brustkrebs). Bei Empfängern von Herztransplantaten sank die Konzentration des verabreichten Immunsuppressors auf die Hälfte. Inzwischen konnte man an der Maus auch zeigen, wie das geht: Eine Komponente von Johanniskraut - ausgerechnet die, die vermutlich gegen Depression wirkt: Hyperforin - bindet an einen Rezeptor, der die Produktion des Enzyms anwirft. Das zerstört dann alle körperfremden Chemikalien, auch die Medikamente. Natürlich reagiert der Mensch auf andere Gifte als die Maus, aber er hat einen ähnlichen Rezeptor, und den kann man gentechnisch in die Maus einbauen, nachdem man ihren eigenen ausgeschaltet hat: Damit hat man ein Testsystem dafür, ob in Entwicklung befindliche Medikamente - ebenso wie Johanniskraut - unabsichtlich die Chemieputztrupps des Körpers aktivieren. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat einen Katalog Dutzender Medikamente angekündigt, die von Johanniskraut umwegig an ihrer Wirkung gehindert werden. (Science, Vol. 291, S. 35) (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.01.2001, jl)