Washington - Die Konjunktur in den USA hat sich nach den Worten von US-Notenbankpräsident Alan Greenspan dramatisch bis zur Nähe des Null-Wachstums abgekühlt. "So weit wir das beurteilen können, haben wir eine sehr dramatische Abschwächung erlebt, die möglicherweise sehr nah an ein Nullwachstum herankommen könnte", sagte Greenspan am Donnerstag bei seiner Anhörung vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats in Washington. Er verwendete zur Beschreibung der gegenwärtigen Wirtschaftslage in den USA jedoch nicht den Ausdruck "Rezession". Greenspan lehnte es ab, über mögliche Ergebnisse des Zinstreffens des geldpolitischen Ausschusses der US-Notenbank am 30. und 31. Jänner zu sprechen. Zur Inflation in den USA zeigte sich Greenspan optimistisch. Die jüngsten Daten zeigten, dass der Inflationsdruck derzeit "ausgesprochen gut gezügelt ist". Unterstützung für Bush Greenspan erteilte den Steuersenkungsplänen des neuen US-Präsidenten George W. Bush seinen Segen. Angesichts der immer weiter steigenden Haushaltsüberschüsse seien Steuererleichterungen angebracht, sagte der Chef der Federal Reserve vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats. Sie sollten bald beginnen, müssten aber umsichtig gestaltet werden. Gleichzeitig könne schon vor Ende des Jahrzehnts die Staatsschuld abgetragen werden. Die US-Börsen reagierten zunächst verhalten auf Greenspans Ausführungen, weil sie daraus nicht gleich ein Zinssignal ablesen konnten. Bush will die Steuern über zehn Jahre um 1,6 Billionen Dollar (1.749 Mrd. Euro/24.072 Mrd. S) senken. Im selben Zeitraum wird in den USA ein Haushaltsüberschuss von bis zu 5,6 Billionen Dollar (6.123 Mrd. Euro/84.253 Mrd. S) erwartet. Der Offenmarktausschuss der Fed tritt kommende Woche zusammen. Zuletzt hatten die Währungshüter die Leitzinsen am 3. Jänner um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Der Dow-Jones-Index stieg während Greenspans Auftritt vor dem Senatsausschuss leicht um 0,45 Prozent, während der Hightech-Index NASDAQ 1,58 Prozent verlor. Plädoyer für Steuersenkungen Greenspan begründete sein Plädoyer für Steuersenkungen in erster Linie damit, dass der Staat sonst immer mehr Vermögen anzuhäufen drohe. Er habe schon immer gesagt, dass es langfristig gesehen weitaus besser sei, Überschüsse für Steuersenkungen anstatt für Ausgabensteigerungen zu verwenden. Der Währungshüter warnte allerdings auch davor, bei den Steuererleichterungen übers Ziel hinauszuschießen. Ein abrupter Rückgang der Einnahmen berge unter Umständen die Gefahr eines Rückfalls in die Zeiten der Haushaltsdefizite. Skeptisch bewertete Greenspan das Argument, Steuersenkungen könnten die seinen Worten nach deutlich merkbare US-Konjunkturschwäche beheben. Sollte sich die Schwäche jedoch stärker vertiefen als derzeit zu erwarten, "dann könnte es tatsächlich spürbar helfen, wenn eine Steuererleichterung bereits in Position gebracht worden ist". Im vierten Quartal 2000 habe die Wachstumsrate nur geringfügig im Positiven gelegen. Der Inflationsdruck sei jedoch "außerordentlich gut unter Kontrolle". Anders als Bushs Kritiker sieht der Fed-Chef keinen Widerspruch zwischen der Abzahlung der Staatsschuld und einer Senkung der Steuern. "Die neuesten Daten erhöhen deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass genug Ressourcen zur Verfügung stehen werden, um sowohl die Schulden zu reduzieren als auch die Überschüsse mit haushaltspolitischen Maßnahmen abzubauen." Sofern es keinen massiven und nachhaltigen Wachstumsknick gebe, rechne er jetzt damit, dass die Schuldenabzahlung schon vor Ende des Jahrzehnts volle Früchte tragen werde. (APA/Reuters)