Wien - Jahre müssen mitunter ins Land ziehen, bis sich dem Betrachter der Sinn einer Operninszenierung erschließt. Wenn sich alles plötzlich zu einem klaren Bild fügt, reichen jedoch einige wenige. Drei unvollendete Jährchen nach der Premiere dieser Sizilianischen Vesper überkommt einen denn auch (bei der 21. Vorstellung dieser Wernicke-Inszenierung) die Erkenntnis, es sei hier alles weise auf den Todestag Verdis hin inszeniert worden. Natürlich spricht gegen diese Theorie, dass sich die Aufführung sieben Tage vor dem 27. Jänner abspielte. Mitten im Countdown also, als Frühstart. Mitten in den laufenden Verdi-Wochen, die am Todestag, am Samstag also, José Cura als Otello präsentieren, der sich unlängst über den Geruch des Publikums echauffierte. Wir wollen dennoch an der Theorie festhalten. Dieses konsequente Schwarz! Jene in derselben Farbe gehaltene grimmige, niemals verschwindende Monstertreppe; dazu das in schwarze Mäntel gehüllte, wie Pompfüneberer aussehende Billeteur-Personal der Staatsoper - man wähnt sich in einem Verdi-Mausoleum. Auch dort, wo gemeinhin der Souffleurkasten steht, klotzt schließlich ein schwarzer Sarg. Es steht zwar nicht Verdi drauf, es ist also wohl nicht Verdi drin. Aber, es wirkt! Dass ein solch halsbrecherisch-gruftiges Ambiente theatralische Aktionen nur unter Inkaufnahme von Lebensgefahr gestattet, ist jedenfalls klar. Anzuzweifeln ist aber, dass es auch in einem praktikablen Bühnenbild zu kollektiven szenischen Höchstleistungen gekommen wäre, die für ein Haus von Weltformat eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Da gab es ja auch unlängst eine bühnentechnisch ungefährliche Version von Ernani ... Wenn allerdings Meister wie Renato Bruson erscheinen, dann vergisst man für Augenblicke, dass sich die Staatsoper zu oft als Haus der konzertanten Oper benimmt, das Bühnenbildern nur unwillig Zuflucht gewährt. Als Gouverneur wächst er über die Inszenierung hinaus und erspielt sich ein profund-unmittelbares Figurenporträt. Seine Sympathien gehören Johan Botha (als Arrigo), der eckig-nervös agiert. Aber zusammen mit Ferruccio Furlanetto (als Rebell) ergibt dies ein Vokaltrio, das als Verdi-Fest-würdig zu bezeichnen ist, da aus dem Orchestergraben zumindest die halbe Vorstellung lang (Dirigent: Paolo Carignani) mehr als Passables erschallen durfte. Furlanetto glänzte übrigens auch beim von Ausfällen geplagten Don Carlo, wobei aber Dolora Zajick (als Elisabeth) auf das Angenehmste auffiel. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 1. 2001)